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das blutige Schlachtfeld von Wörth ging, als der Choral Nun danket alle Gott von Regiment zu Regiment weiter und weiter tönte und die heute wieder in den Gesängen des deutschen Heeres ihren Ausdruck findet. Kein Bachsches, kein Händelsches Kunstwerk kann in mir den Eindruck überbieten, den der einstimmige Massenchor der deutschen Soldaten am Weihnachtstage 1914 in der französischen Kirche des abgelegenen Waldtales erzielte.

In einer Ecke der Kirche saß schüchtern ein französisches Mütterchen mit ihrem zehnjährigen Söhnlein. Sie hörte Predigt und Gesang. Verstand kein Wort deutsch. Was mag sie in die Kirche in den deutschen Gottesdienst geführt haben? Sie stand wohl noch im Banne der Christbaumfeier, die sie abends vorher bei den deutschen Soldaten mitgefeiert.

Nach dem Gottesdienst wurde ich dem hier kommandierenden Brigadekommandeur, Generalleutnant K. und seinem Stabe vorgestellt. General K. gleicht äußerlich einem deutschen Gelehrten und erinnert mich in Gestalt und Gesichtszügen und besonders auch in seiner Ausdrucksweise und Stimme stark an unsern trefflichen verstorbenen Obersten Rudolf, den früheren schweizerischen Oberinstrukteur und Waffenchef der Infanterie. Der General bespricht mit dem Kommandanten der Fußartillerie, dem Artillerieobersten Z., dessen Gast ich bin, den Weg, auf dem ich am Nachmittag in die vorderen Linien der

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/161&oldid=- (Version vom 1.8.2018)