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gezeigt. Laufgräben und Schützengräben wurden sodann erweitert, so gut es die Bodenverhältnisse gestatteten. Von den aus den illustrierten Zeitschriften bekannten, schön ausgebauten und gedeckten, mit Unterständen versehenen wohnlichen Schützengräben ist hier freilich keine Rede. Der Graben ist eben breit genug, daß zwei Mann aneinander vorbeikommen können. Da und dort ist der Graben nischenartig erweitert. Die Schießstände — die Standorte der Schützen verdienen diese Bezeichnung im wörtlichen Sinne — sind zum Schutze gegen die Kälte des Bodens mit einer Strohschicht bedeckt. Jeder Schütze hat sein genau abgegrenztes Beobachtungs- und Schußfeld. Ab und zu fällt ein Schuß hinüber und herüber. Dann takt es in einem Baumstamm oder quirlt es in der Erde. Das französische Geschoß verursacht fast genau den gleichen scharfen, hellen, gehässigen Knall wie unser schweizerisches Infanteriegewehr. Der deutsche Gewehrschuß klingt etwas dumpfer.

Letzter Tage haben die deutschen Schützen den französischen Schützengräben mit Handgranaten beworfen. Seitdem ist es drüben bedeutend ruhiger geworden und die Schießerei hat nachgelassen. So berichtet uns der Bataillonskommandeur. Die Leute rühmen im übrigen die Bravour der ihnen gegenüberliegenden Feinde. Nur für gefahrvolle Erkundungs-Patrouillengänge haben sie keine Neigung. Sie ziehen andere Erkundungsmittel vor. Bis zu dem jüngst erlassenen Verbot hatte ein lebhafter Rufverkehr zwischen den

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/172&oldid=- (Version vom 1.8.2018)