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zum Teil auf die Verpflegungsschwierigkeiten und die Erschöpfung der Truppe zurückzuführen ist. Gerade heute, während meines Aufenthaltes in Sennheim, haben sie zum ersten Male wieder eine lebhaftere Gefechtstätigkeit entfaltet. Im Laufe des Nachmittags entspann sich ein recht lebhaftes Artilleriegefecht. Von den Höhen bei Alt-Thann kommen die Granaten herübergeflogen. Einer der deutschen Offiziere heißt mich aufhorchen. Ich vernehme zum erstenmal mit eigenen Ohren im Bereich eines Gefechts jenes eigentümliche, halb zischende, halb singende, langgezogene Getöse, das Sausen einer Granate. Von unserm Standorte aus haben wir freie Aussicht auf das nahe Uffholz hinüber, auf das ein Hagel von Granaten und Schrapnells niedersaust. Ein dumpfer Schall aus der Richtung von Alt-Thann kündigt jeweilen den Schuß an, dem folgt das Sausen des Geschosses, dann mit einem scharfen Knall der Einschlag der platzenden Granate: eine Staubwolke steigt turmhoch aus einem Gebäude hinter der Kirche auf, wirbelt sich empor und schwebt lange über dem Dorfe, zerstiebt endlich langsam im Westwinde. Es ist die Begleitmusik zu unserer Mahlzeit. Nach wenigen Minuten folgt wieder ein Schuß, begleitet von dem singenden Tone, gefolgt von dem scharfen Klang des Einschlags und einer Staubwolke, die sich diesmal vor der Kirche erhebt, auf deren Turm es anscheinend abgesehen ist. Das Kirchendach zeigt schon von einer früheren Beschießung her eine große Bresche.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/226&oldid=- (Version vom 1.8.2018)