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Schloßhofe ist ein Ziehbrunnen, aus dem das Wasser, wie zu Abrahams Zeiten, mit dem Eimer herausgezogen wird. Weit und breit kein laufender Brunnen. Der Flur der Eingangshalle und die breiten Gänge sind mit roten Ziegelsteinen belegt, von den Wänden schaut ein Eberkopf und ähnliches Jagdgezeug herunter. Eine prachtvolle große alte Standuhr, gute ältere Gemälde, die schmiedeeisernen kunstvoll gearbeiteten Leuchter, schönes Gitterwerk, das wertvolle Porzellangeschirr, endlich eine reichhaltige Bibliothek mit Prachtausgaben sämtlicher Werke von Montesquieu, Voltaire, Diderot und der französischen Klassiker, sowie einer ebenso reich gebundenen Sammlung der lateinischen Klassiker, das alles zeugt davon, daß hier einst eine wohnliche Stätte für Kunstsinn und Wissenschaft aufgeschlagen war. Das Wappen über der Pforte zum Prunksaal deutet aus Militäradel, der unter Napoleon I. errungen wurde, das Schloß selbst mag um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts erbaut worden sein. Ähnliche Bauten findet man in vielen Dörfern von Französisch-Lothringen.

In den Wirtschaftsgebäulichkeiten sind jetzt deutsche Truppen untergebracht. Im Gemüsegarten haben Pioniere eine große, auf der Wetterseite mit Stroh verkleidete Mannschaftsbaracke für den Winterbetrieb erstellt, aufs bequemste wie eine Kaserne eingerichtet, mit zwei Eisenöfen und langen Rohrleitungen ist sie sogar heizbar gemacht. Im Schloßpark begegnen uns

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/60&oldid=- (Version vom 1.8.2018)