Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 001.jpg

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1.
Frau Holle.

Eine Mutter hatte zwei Töchter, davon hieß die eine Liese, und wiewohl sie faul, ungeschickt und schmutzig war, so war sie dennoch der Liebling der Mutter, welche sie so sehr verzärtelte, daß sie keinen Finger ins Wasser stecken durfte. Die andere hieß Gretchen, und wiewohl diese fleißig, reinlich, ordentlich und gefällig war, so konnte ihre Mutter sie doch wenig leiden. Darum wurden alle schweren Arbeiten ihr aufgelegt, und während die faule Liese noch im Bette lag, mußte Gretchen schon die Stube auskehren, einheitzen und das Frühstück besorgen.

Einmal, als Gretchen so an den Brunnen ging, um Wasser in die Küche zu holen, fiel sie hinein, und ertrank. Da war ihr, als wenn jemand einschläft. Als sie aber erwachte, so befand sie sich im Reiche der Frau Holle, welches zwischen dem Himmel und den Wolken ist. Hier stand sie auf einer schönen Wiese, wo viel tausend Blumen blühten, und Schmetterlinge flogen, und die Sonne viel heller schien, als bei uns auf der Erde.

Gretchen ging die Wiese entlang, und kam in den Obst- und Küchengarten der Frau Holle. Hier stand nicht weit vom Fußsteige ein Backofen, worin Brot gebacken wurde, und sie hörte die Brote zischen:

Wer kommt, uns zu holen!
Sonst brennen wir zu Kohlen!