Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 003.jpg

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Morgens: denn Stube und Kammer waren noch nicht gekehrt, das Bett nicht gemacht, der Tisch nicht abgewischt. Da dachte Gretchen: Du willst aufräumen! Sie machte das Bett, kehrte die Stube aus, stäubte den Tisch ab, und wusch das Geschirr.

Als sie fertig war, fand sie ein Strickzeug. Das nahm sie in die Hand, und setzte sich damit mäuschenstill in eine Ecke der Kammer neben dem Bette. Mittlerweile kam die Frau Holle nach Hause, und wunderte sich des Todes, daß das ganze Haus in Ordnung gebracht, das Geschirr gewaschen, und die Stuben gekehrt waren. Sie sah aber niemand, bis sie auch in die Kammer trat, und da, neben dem gemachten Bette, das schüchterne Gretchen mit ihrem Strickzeuge sitzen sah.

„Wer bist Du, Kind? Hast Du mir etwa das Haus so schön in Ordnung gebracht?“ fragte Frau Holle. Weil sie nun dabei ganz freundlich aussah, auch sonst ein zutrauliches Wesen hatte, außer daß ihr ein großer Zahn aus dem Munde vorstand, so faßte sich Gretchen ein Herz, und erzählte ihr Alles, wie sie in den Brunnen gefallen und ertrunken, dann aber wieder zu sich selbst gekommen sey, und sich in diesem fremden Garten befunden habe. Sie bat dabei die Frau Holle, sie freundlich in ihr Haus aufzunehmen, sie wolle ihr gut thun, und artig und fleißig seyn.

Da sprach die Frau Holle: „Ei, ein so fleißiges und geschicktes Mädchen, als Du bist, kann ich wohl gebrauchen!“ und gab ihr zu essen und zu trinken, schöner, als sie es zu Hause gehabt hatte. Sie stellte ihr ein weiches Bettchen in die Kammer, und hielt sie, als ihr eigen Kind. Gretchen aber war fleißig in Stub’ und Kammer, in Küch’ und Keller, auf Hof und Boden, im Feld’ und im Garten, und wenn sie nicht zuweilen Heimweh nach Hause gehabt hätte, so würde ihr gar nichts gefehlt haben.