Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 010.jpg

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Wald, so schnell er konnte; Rothkäppchen aber ging ganz gemächlich ihres Weges, und pflückte sich noch manche Blume, und griff nach den bunten Schmetterlingen, die um sie herflatterten.

Der Wolf war bald vor das Haus der Großmutter gekommen. Er pochte an: Poch! poch! –

„Wer ist da?“ rief die Großmutter. Und der Wolf antwortete: „Ich bin’s, Euer Enkelchen Rothkäppchen; ich bringe Euch einen Kuchen und ein Töpfchen Butter, welches die Mutter Euch schickt; macht auf!“ Das Alles aber sagte er so natürlich, und machte Rothkäppchens Stimme so gut nach, daß die Großmutter gar nicht zweifelte, es sey ihr Enkelchen, und hinausrief: „Schieb nur den Riegel weg, mein Kind, dann geht die Thüre von selbst auf.“

Das that auch der Wolf; und wie er nun im Hause war, da stürzte er auf die alte gute Frau los, und verschluckte sie in einem Augenblick ganz und gar: denn er hatte erschrecklichen Hunger, und in mehr als drei Tagen nichts gegessen.

Hierauf machte er die Thüre wieder zu, und zog der Großmutter Kleid an, und setzte ihre Haube tief in’s Gesicht; dann legte er sich in’s Bette, und zog die Vorhänge zu, damit ihn Rothkäppchen nicht so leicht kenne: denn er wollte sie auch noch fressen.

Nach einem Weilchen kam Rothkäppchen ebenfalls an, und pochte an die Thüre. „Wer ist da?“ rief der Wolf mit seiner rauhen Stimme. Darüber erschrack Rothkäppchen ein wenig; doch da sie glaubte, die Großmutter möchte wohl den Schnupfen haben, so faßte sie sich wieder, und sagte: „Ich bin es, Euer Enkelchen Rothkäppchen; ich bringe Euch einen Kuchen und ein Töpfchen Butter, welches die Mutter Euch schickt; macht auf!“ – Mit etwas milderem Tone sprach nun der Wolf: „Schieb nur