Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 013.jpg

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Tag: „Mutter, essen! Mutter, essen!“ Und wenn die Mutter mit einer Raupe oder Fliege nach Hause geflogen kam, so schnappte der Kuckuck immer zuerst danach, so daß das kleine Grasmückchen fast nichts bekam. Er machte sich auch in dem Nestchen so breit, daß das kleine Grasmückchen keinen Platz hatte zum Sitzen.

Es waren aber noch nicht zwei Wochen vergangen, da sagte einmal der Kuckuck zum Grasmückchen: „Mache mir Platz!“ Grasmückchen aber erwiederte: „Ich kann gar nicht mehr weiter rücken, du nimmst ja das ganze Nestchen allein ein!“ – „Mache mir Platz!“ schrie der Kuckuck, „oder ich fresse Dich!“

Da setzte sich klein Grasmückchen auf den Rand des Nestes, und hielt sich mit dem Schnabel fest; aber der Kuckuck schüttelte und rüttelte sich, daß das kleine Grasmückchen sich nicht mehr halten konnte, und hinunterfiel auf den Boden: denn seine Flügel waren noch nicht gewachsen.

Es ging aber ein kleiner Knabe unten am Bäumchen vorbei, der hörte das Grasmückchen schreien, und nahm es mit sich nach Hause, und fütterte es mit Würmern und Brosamen, und das Grasmückchen wuchs, und ward stark und munter. Es flog aber in der Stube umher, und fraß die Fliegen, und zwitscherte und sang gar munter und lustig. Wenn ihm aber der kleine Knabe rief: „Grasmückchen, komm!“ so flog das Grasmückchen herbei, und setzte sich auf seinen Finger.

Grasmückchen lebte bei dem Knaben den Herbst und Winter über, und ergötzte Alle durch seine Fröhlichkeit und sein munteres Wesen. Als aber im Frühjahr der Schnee von den Bergen geschmolzen war, und die Erde wieder anfing, grün zu werden, die Bäume Blätter bekamen, die Vögel lustig darein sangen, und die Sonne so freundlich zum Fenster hereinschien; da ward es dem Grasmückchen zu enge