Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 044.jpg

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eine große Angst, so daß sie sich immer weiter im Walde verirrten. Auf ein Mal befanden sie sich auf einem grünen Platze, worauf ein niedliches Häuschen stand; das Häuschen aber war von Brotteig gebacken, und das Dach war von Kuchen, und die Fenster von weißem Kandiszucker, und die Fensterrahmen von Marzipan.

Die Kinder betrachteten das Häuschen mit großem Vergnügen, und da sie so sehr hungerte, fragten sie nicht erst lange, wem dasselbe gehöre, und ob sie auch davon essen dürften; sondern brachen sich von dem Häuschen ab, was losging, und – aßen. Das schmeckte vortrefflich! Eben wollten sie noch eine Kandisfensterscheibe losbrechen, da kam es ihnen vor, als säng’ es drinnen mit feiner Stimme:

„Knusper, knusper Kneischen,
Was knaspert an meinem Häuschen?“

Darüber erschracken die Kinder, ließen die Scheibe fallen, und wollten davon laufen. In demselben Augenblick aber trat ein altes kleines Mütterchen aus der Thüre, die war ganz zusammengeschrumpft, und sagte gar freundlich: „Ach, ihr armen Kinderchen, ihr habt euch gewiß verirrt; kommt nur herein in mein Häuschen, ihr sollt’s recht gut bei mir haben.“

Die Kinder traueten ihren Worten, und gingen hinein. „Nun sollt ihr euch auch recht satt essen!“ sagte die Alte, und gab ihnen Nüsse und Aepfel, und Milch und Reißbrei, und auch schönen Wein dazu. Da wurden die Kinder froh, und als sie gegessen hatten, fielen ihnen die Augen zu vor Müdigkeit. Die Alte hatte aber schon zwei weiche Bettchen bereitet, darein legten sie sich, und schliefen recht süß.

Die Alte aber war ein böses Weib, die den Kindern sehr nachstellte, sie schlachtete und aß: denn so wie sie ein Kind gegessen hatte, wurde sie wieder um drei Jahre jünger. So war sie wohl schon tausend Jahre alt geworden.