Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 045.jpg

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Sie konnte aber nur solchen Kindern etwas anhaben, die sie zu einem Unrecht verführen konnte; über die andern aber hatte sie keine Macht. Sie hatte das Brothäuschen blos deshalb dahin gebaut, damit die Kinder davon abbrechen sollten: hätten nun Martin und Ilse das Häuschen nicht angerührt, und nichts davon genommen, so hätte sie ihnen auch nichts thun können.

Ganz früh, noch ehe es Tag war, stand das böse Weib auf, riß den Knaben aus dem Bette, und trug ihn in einen Stall, der ein eisernes Gitter hatte; das Mädchen aber weckte sie, und sagte: „Steh’ auf, du Faullenz, mach’ Feuer an, hole Wasser, und koche gut Essen. Deinen Bruder hab’ ich in den Käfig gesperrt, da sollst du ihn füttern, bis er recht fett ist, dann will ich ihn schlachten.“

Ach, wie weinte das arme Mädchen, aber es half ihr nichts. Alle Tage mußte sie dem armen Bruder gute Speisen kochen, und ihn trösten, obwohl sie selbst keinen Trost hatte. Martin aber härmte und grämte sich in seinem Käfig mehr ab, als er zunahm. Das bemerkte wohl die Alte, und beschloß daher, das Mädchen zuerst zu essen.

Es waren wohl vier Wochen so hingegangen, da sagte sie eines Morgens: „Mach hurtig, Mädchen, und thue deine Arbeit; heute soll dein Bruder daran, wenn er auch noch magerer wäre; ich will nun nicht länger warten; in ein Paar Wochen schlacht’ ich dich auch. Jetzt werde ich den Teig zurecht machen, damit wir Brot haben.“

Ilse wollte vor Angst vergehen, sie ließ sich aber nichts merken, und holte Wasser zum Sieden; die Alte aber heizte den Backofen. Da seufzte das Mädchen zu dem lieben Gott, und bat ihn, daß er sie mit dem Bruder nicht umkommen lassen möchte.

Jetzt rief die Alte: „Komm her, Mädchen, und sieh, ob das Brot recht braun ist, meine alten Augen können es