Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 085.jpg

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verleumden. Bald war ein kostbares Kraut in Garten zertreten, bald eine seltene Blüthe zerpflückt, und auf welche es kam, die mußte ihre schönen Kleider ausziehen, und allein in ihrer Kammer bleiben, oder so lange im Thale suchen, bis sie das Kraut wieder gefunden hatte. Auch auf Käthchen war die Schuld mehrmals gekommen, ohne daß sie die That begangen hatte, und sie mußte die Strafe, wie die übrigen, erdulden.

Käthchen wurde nun der Aufenthalt in dem schönen Thale immer verhaßter, und oft, wenn sie in ihrem Stübchen allein war, fing sie bitterlich an zu weinen, und sehnte sich wieder zurück zu ihren Aeltern und Geschwistern, bei denen sie zuvor arbeiten mußte, und sich nicht so schön putzen konnte, die sie aber Alle lieb hatten, und es herzlich gut mit ihr meinten.

Eines Tages war das Waldweibchen verreist, was oft geschah, und Käthchen betrachtete die Kostbarkeiten der Zimmer. Da nahete sie sich auch der Papagoyenstube, und konnte der Neugierde nicht widerstehen, einen Blick durch das Schlüsselloch hinein zu werfen. Was sah sie da? Lauter schöne Vögel, die umherflatterten, und mit einander sprachen. „Ach, wann wird doch unser Unglück enden? wann wird die alte Zauberinn uns befreien?“ so riefen sie unter einander. Als Käthchen dies hörte, wünschte sie zu wissen, was ihr Unglück wäre; aber sie getrauete sich nicht, zu fragen.

Da hörte sie unvermuthet eine Stimme rufen: „Käthchen, kommst du, uns zu befreien?“

„Wer seyd ihr denn, und wie seyd ihr da hinein gekommen?“ fragte Käthchen.

„Komm herein!“ antwortete es drinnen, „und du sollst Alles erfahren.“

„Ich darf nicht!“ sagte Käthchen.