Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 129.jpg

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es aber dem armen Manne, daß der jüngste Sohn nicht allein sehr schwach und zärtlich, sondern, wie er einfältig glaubte, auch etwas dumm und beschränkt war, welches jedoch keineswegs sich so verhielt. Zwar war der Knabe sehr klein, und als er zur Welt kam, nicht größer wie ein Daumen, weswegen man ihn denn auch immer nur den kleinen Däumling nannte; dabei war er aber gar nicht dumm, vielmehr sehr pfiffig, und weit klüger als seine Brüder, obwohl er wenig sprach, und im Gegentheil mehr hörte und aufmerkte.

Nun geschah es, daß ein schweres, sehr theures Jahr kam: denn die Ernte war ganz mißrathen, und die Aeltern, der Däumling und die andern sechs Kinder mußten jetzt oft hungrig zu Bette gehen.

Eines Abends waren die Kinder schon alle schlafen gegangen, aber der Holzhauer saß noch mit seiner Frau am Feuer, und sprach mit beklommenem, schwermüthigem Herzen von der schlimmen Zeit und der Noth, mit welcher sie zu kämpfen hatten. „Frau,“ sagte er dann mit einem tiefen Seufzer, „was soll aus unsern armen Kindern werden? Die müssen wir wohl dem lieben Gott befehlen, der für sie sorgen wird, da wir es nicht mehr können! Ich will sie morgen mit in den dicksten Wald führen, und Reisholz auflesen lassen, und mich dann heimlich davon machen. Den Rückweg finden sie gewiß nicht! Und wenn sie auch im Walde umkämen, so ist’s doch besser, als wenn wir sie vor unsern Augen so langsam sollen verschmachten sehen!“

„Wie!“ rief die Frau, „du wolltest deine Kinder aussetzen, und von wilden Thieren fressen lassen? Das kann ich nimmermehr zugeben.“

Traurig zuckte der Mann die Achseln, und nachdem er seiner Frau Alles noch einmal vorgestellt hatte, wie es doch ganz unmöglich sey, die vielen Kinder zu ernähren und vor