Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 179.jpg

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Gegend jagte, und über den dunkeln Wald weg die Thürme des alten Schlosses erblickte, da befragte er zufällig jenen alten Mann über die Geschichte dieses Schlosses, und erfuhr von ihm, daß in dem Schlosse die schönste Prinzessinn von der Welt verzaubert sey, hundert Jahre zu schlafen, bis ein ihr bestimmter Prinz sie erlöse.

Den Prinzen setzte diese Nachricht in Erstaunen. Er kam auf den Gedanken, daß wohl er dazu bestimmt seyn möchte, die schöne Schläferinn zu befreien, und getrieben von Ehrgeiz und Sehnsucht beschloß er, sogleich in den Wald zu dringen.

Er ging nach dem Schlosse zu, und wie er vorschritt, bogen sich von selbst die Bäume und Gesträuche seitwärts, also, daß er ganz ungehindert durch das bisher unzugängliche Gestrüpp dringen konnte. So gelangte er endlich über einen weiten Vorplatz zu dem Schlosse. Niemand ließ sich hier sehen, und niemand von seinem Gefolge war bei ihm. Sie hatten ihm nicht folgen können, denn dicht hinter ihm war das Gezweig wieder durch- und in einander gefahren. Ohne sich zu fürchten, trat er in einen großen Vorhof, wo eine schauderhafte Stille herrschte; überall lagen Menschen und Thiere in erstarrendem Schlafe hingesunken. Da sah er die entschlafenen, wachehaltenden Schweizer, noch die Gläser in der Hand haltend, über deren Leerung sie eingeschlafen waren. Weiterhin, nachdem er über einen großen, mit Marmor ausgelegten Hof gegangen war, fand er in der Wachtstube die Garden, das Gewehr auf der Schulter, in Reih’ und Glied, schnarchend wie Sägemühlen. Noch weiter lagen und saßen in allen Zimmern Hofleute und Fräulein durch einander, und schliefen wie die Ratten. Endlich gelangte er in ein ganz von Gold glänzendes Gemach, in welchem er auf einem Ruhebette, dessen Vorhänge halb geöffnet waren, das wunderschöne Röslein schlafend erblickte.