Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 200.jpg

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und als ihr sogleich ein großer Widder in die Augen fiel, dessen Hörner vergoldet und mit Kränzen behangen waren. Um seinen Hals war eine Kette von Diamanten und Perlen geschlungen; Orangenblüthen waren sein Lager, und über ihm war ein seidenes Zeltdach ausgespannt, das ihn gegen die Strahlen der Sonne schützte. Hundert geputzte Widder und Schaafe standen rings um ihn, welche zum Theil goldene Halsbänder trugen, und mit wunderschönen Blumen reich geschmückt waren.

Die Prinzessinn blieb bei diesem Anblicke wie versteinert stehen. Sie suchte mit ihren Augen den Schäfer dieser außerordentlichen Heerde, als der schöne Widder hüpfend auf sie zukam, und zu ihr sagte: „Nähere Dich, holde Prinzessinn, und fürchte dich nicht vor uns friedfertigen Geschöpfen.“

Hulda wußte nicht, wie ihr geschah, als sie den Widder, gleich einem Menschen, sprechen hörte. Indessen merkte sie bald, daß es kein gewöhnlicher Widder seyn könne, sondern daß er verzaubert seyn müsse. Sie faßte also Muth, und als der Widder sie fragte, woher sie käme, und was sie suche, antwortete sie ganz dreist: „Mein Vater hat mich verstoßen, und ich suche eine Freistatt vor seinem Zorne.“

„So komm denn mit mir,“ sagte darauf der Widder; „ich biete Dir eine Freistatt an, wo Dich niemand entdecken wird, und wo Du ganz ungestört leben kannst.“

„Ach! ich kann Dir nicht folgen,“ antwortete die Prinzessinn, „ich bin so müde, daß meine Füße mir ihren Dienst versagen.“

Der Widder mit den goldenen Hörnern befahl nun, einen Wagen zu holen. Sogleich erschienen sechs Ziegen, die an einen hohlen Kürbis von ungeheurer Größe angespannt waren. Die Prinzessinn setzte sich hinein, und der Widder neben sie, worauf die Ziegen nach einer Höhle zuflogen,