Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder V04.jpg

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Diese Ansicht ist aber ganz falsch, weil sie gegen alle Erfahrung ist, und gilt höchstens nur von den schlechten, phantastischen Mährchen, die durch übertriebene, wunderbar wechselnde Erscheinungen und bizarre Sprünge belustigen, oder durch allerlei verführerische Liebesabentheuer bezauberter Prinzen und Prinzessinnen das unschuldige Gemüth beflecken, und mit seltsamen, wollüstigen Bildern verunreinigen. Dergleichen Mährchen gehören aber nicht in den Kreis der Kinderwelt, und wer sie da hineinzieht, versündigt sich an dem aufblühenden Geschlecht, und hat sich selbst die Schuld beizumessen, wenn er, anstatt zu nützen Schaden stiftet und verbildet.

Nur von guten Mährchen kann hier die Rede seyn, von solchen, die, mit Beseitigung alles Abentheuerlichen, Fratzenhaften und Gespensterartigen, die Phantasie und das Gemüth des Kindes durch reine, heitere Bilder und Begebenheiten angenehm beschäftigen, und wegen ihres moralischen Inhalts zugleich auch das sittliche Gefühl mannichfaltig wecken und beleben.

Solche Mährchen sind nie schädlich, und wer ihnen ihren Werth in der Erziehung absprechen wollte, der würde das geistige Bedürfniß des Kindes durchaus verkennen, und sich selbst eines der besten und bildendsten Unterhaltungsmittel für die Jugend berauben.