Seite:Marokkanisches Militär.pdf/3

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Walther Kabel: Marokkanisches Militär. In: Deutscher Hausschatz, 18. Heft, 37. Jahrgang, S. 809–810

der englische Reisende Lionel Darings in seinem Werke „Marokkanische Streifzüge“ erzählt.[ws 1].

Darings war in Fez von dem Besitzer eines Cafés darauf aufmerksam gemacht worden, daß sich in dem südwestlich gelegenen Städtchen Miknasa eine uralte Moschee befinde, in der als größte Sehenswürdigkeit ganz Marokkos ein Mantel Mohammeds ausgestellt sei. Der Engländer ließ sich wirklich zu dem zweitägigen Ausfluge verleiten. Die Moschee bestand jedoch nur noch aus einigen zerfallenen Mauern, in denen ein halbverrückter Derwisch hauste und erst gegen ein unverschämt hohes Trinkgeld den sogenannten Mantel Mohammeds, einen völlig zerrissenen braunen Burnus, entschieden neueren Datums, vorzeigte.

Wütend wollte Darings nach dieser Enttäuschung den Ort wieder verlassen, als ihn der Führer eines größeren, ebenfalls von Fez herübergekommenen Fremdentrupps beiseite nahm und ihm mitteilte, am Nachmittag würden in dem Hofe des Kasernements der hier in Miknasa in Garnison liegenden Truppen zwei Räuber standrechtlich erschossen. Zu dieser Hinrichtung könne er den hochgeborenen Efendis einen Zuschauerplatz an dem Fenster eines den Kasernenhof von einer Seite begrenzenden Gebäudes besorgen. Darings bezahlte als echter Engländer für dieses nervenerregende Schauspiel ein sehr reichliches Bakschisch, hatte dafür auch die Genugtuung, die einzelnen Phasen der Erschießung der beiden Übeltäter in mehreren Momentaufnahmen mit seinem Kodak festhalten zu können, wobei ihn nur störte, daß soundso viele andere Fremde die übrigen Fenster des Gebäudes besetzt hielten und daher dieselben hochaktuellen Photographien wie er zu „knipsen“ vermochten. Darings beschreibt dann genau, wie die Delinquenten inmitten eines Trupps in sehr schmutzige Uniformen gehüllter Soldaten aus den Kasernen heraustraten und ihnen von einem nach der geringeren Zerlumptheit seines Äußeren offenbar höheren Militär der Inhalt eines großen Papiers mit einem mächtigen Siegel daran vorgelesen und darauf das Urteil an beiden Räubern, die vor einer frisch aufgeworfenen Grube mit verbundenen Augen knieten, zugleich vollstreckt wurde. Nach der Salve seien sie rücklings in die Grube hinabgestürzt. Dort hätten die Soldaten sie auch vorläufig liegen lassen.

Darings fährt nun folgendermaßen fort: „Wer beschreibt mein Erstaunen, als ich nach drei Monaten bei der Rückkehr von der Küste wieder Miknasa passierte und derselbe Fremdenführer, der mich schon einmal zu der Hinrichtung eingeladen hatte, mich vor der Karawanserei anspricht und mir fast genau mit denselben Worten geheimnisvoll zuraunt, was er mir schon vor einem Vierteljahr zugeraunt hatte. Da ging mir mit einem Male ein Licht auf. Ich schwieg aber klugerweise, zahlte dem frechen Spitzbuben abermals ein sehr anständiges Bakschisch, beobachtete aber jetzt die Hinrichtung der beiden Räuber – das Programm war in allen Punkten genau dasselbe geblieben – mit ganz anderen, sehr kritischen Augen. Und da merkte ich, weil meine Nerven jetzt vollkommen ruhig waren, natürlich sofort, daß es sich hier um nichts anderes als ein fraglos recht häufig wiederholtes Schaustückchen handelte, in dem jede einzelne Person ihre Rolle bereits mit einer gewissen Nachlässigkeit spielte. So gaben sich z. B. die beiden Delinquenten – was mir beim ersten Male völlig entgangen war – auch nicht die geringste Mühe mehr, die dem Tode Verfallenen auch nur etwas lebenswahr darzustellen. Im Gegenteil – ihre Gleichgültigkeit den drohenden Flintenläufen gegenüber konnte gar nicht größer sein. Nachher nahm ich mir dann den Halunken von Fremdenführer vor und sagte ihm auf den Kopf zu, daß die Exekution ein plumper Schwindel gewesen sei und die Gewehre nur Papierpfropfen als Geschosse enthalten hätten. Erst versuchte er noch zu leugnen, dann gab er alles zu. Äußerst bezeichnend für marokkanische Militärverhältnisse ist es, daß der Verdienst aus diesen nur für die Fremden inszenierten Hinrichteten ehrlich zwischen allen Auftretenden geteilt wurde – und zu diesen gehörte auch der Herr Kommandant der Truppen in Miknasa und seine Herren Offiziere.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Die Geschichte Lionel Darings wurde von Walther Kabel teilweise wortgleich auch in den Beitrag Gimpelfang in Afrika eingearbeitet. Dieser erschien mit der Verfasserangabe K. W. in: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 9, S. 217–219. Sie erschien außerdem, ebenfalls unter den Namen Marokkanisches Militär, mit der Verfasserangabe W. K. Abel in: Bibliothek für Alle, 4. Jahrgang [1912], 1. Bd., S. 176–178.
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Marokkanisches Militär. In: Deutscher Hausschatz, 18. Heft, 37. Jahrgang, S. 809–810. Friedrich Pustet, Regensburg, Rom, New York, Cincinnati 1911, Seite 810. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Marokkanisches_Milit%C3%A4r.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)