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in Anspruch nahm, waren in Österreich die bedeutendsten Werke dieser Literatur verboten und ertötete ein pedantischer ideenloser Unterricht an den Hochschulen, dessen ganze Lehrmethode eingestandenermaßen nur auf Hervorbringung zuverlässiger und klaglos funktionierender Beamten gerichtet war, jedes höhere geistige Interesse. So wurde jene dumpfe Atmosphäre geschaffen, in der aller lebendige Drang in diesem Lande erstickt werden sollte und die es in jene geistige Isolierung versenkte, von der Grillparzer einmal, nur wenige Wochen vor dem Ausbruch der Revolution, mit bitterem Grolle schrieb:

„Ich weiß ein Land, das lag so unbeweglich,
Es regte kaum die Glieder wie ein Wurm,
Im Ringen schob sichs nach der Nahrung täglich,
Die Zeit war nur ein Glockenschlag vom Turm;

Die nächste Nähe lag auf hundert Meilen,
Die Dämmerung gab noch zu helles Licht,
Das Höchste schien des Niedern Schmach zu teilen,
Und Ruhe war nicht bloß der Bürger Pflicht.“

Nicht also ein Schritt weiter auf der Bahn des Fortschrittes und der Befreiung der Völker wie in Frankreich war diese Revolution für Österreich. Nein — der elementarste Anfang, das erste Morgengrauen nach einer langen Nacht schimpflicher Unterdrückung und Geisterlähmung brachten die Märztage von 1848 diesem unglücklichen Lande. Hier galt es ja erst noch das Mittelalter zu überwinden; hier handelte es sich nicht um eine freiheitlichere Ausgestaltung politischer Rechte und Einrichtungen, sondern war allererst ein Absolutismus zu brechen, wie er nur an der russisch-orientalischen Despotie ein wirkliches Gegenstück finden konnte, während er unendlich weit zurückblieb hinter dem Absolutismus des vorausgegangenen Jahrhunderts, auf den sich sein Legitimitätsgefühl so gerne berief.

Der Absolutismus des achtzehnten Jahrhunderts war der eines aufgeklärten Zeitalters, des Zeitalters der Philosophie und Humanität. Nur kraft der Einsicht und Weisheit, die er sich zuschrieb, nur im Interesse seiner, auf das Wohl der Völker gerichteten, überschauenden Bestrebungen beanspruchte er den freiesten Spielraum für seine Machtbetätigung. In diesem Bewußtsein fand er seine innere Rechtfertigung und seinen Anspruch auf äußere Anerkennung begründet. Der Absolutismus

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Max Adler: 1848. Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, Wien 1905, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Max_Adler_-_1848_13.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2018)