Seite:Max Weber - Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik Seite 14.jpg

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werth, daß sie zu Grunde gehen, und sie sich selbst überlassen heißt im Wege der allmählichen Abparzellierung existenzunfähige slavische Hungerkolonien entstehen lassen. Und nicht nur das Interesse an der Hemmung der slavischen Flut ruft nach der Ueberführung bedeutender Teile des östlichen Bodens in die Hand des Staates, sondern auch die vernichtende Kritik, welche die Grundbesitzer selbst an dem Fortbestand ihres Privateigentums üben durch das Verlangen, in Gestalt des Getreidemonopols und einer Kontribution von ½ Milliarde jährlich ihnen das Risiko, die Selbstverantwortlichkeit für ihren Besitz, seinen einzigen Rechtfertigungsgrund, abzunehmen[1]. –

Allein, wie gesagt, nicht diese praktische Frage der preußischen


  1. Jene Forderung stellt jetzt in dem gleichen Gedankenzusammenhang insbesondere auch Professor Schmoller in seinem Jahrbuch. In der That ist derjenige Teil des Großgrundbesitzerstandes, dessen Erhaltung als landwirtschaftlicher Betriebsleiter staatlich von Wert ist, vielfach nur als Domänenpächter, nicht als Eigentümer zu halten. Allerdings bin ich der Ansicht, daß der Bodenankauf nur in organischer Verbindung mit einer Kolonisation geeigneter Domänen einen dauernden Sinn hat, derart also, daß ein Teil des östlichen Bodens die Hände des Staates durchläuft und während er sich in diesen befindet, eine energische Meliorationskur mit staatlichen Krediten durchmacht. Die Schwierigkeit, mit welcher die Ansiedlungskommission zu ringen hat, ist abgesehen von der Belastung mit der „Nachkur“ der angesetzten Kolonisten, welche nebst ihren Stundungsgesuchen nach einiger Zeit besser dem etwas hartherzigeren gewöhnlichen Fiskus überantwortet würden, darin begründet, daß die angekauften Güter zum großen Teil besser erst ein Jahrzehnt sich in einer solchen Kur in der Hand von Domönenpächtern befänden. Jetzt muß die Melioration Hals über Kopf im Wege der Administration mit großen Verlusten ausgeführt werden, während sicherlich zahlreiche Domänen zur alsbaldigen Kolonisation geeignet wären. Die durch diese Schwierigkeiten veranlaßte Langsamkeit des Verfahrens rechtfertigt [15] freilich Hans Delbrücks Urteil über dessen nationalpolitische Wirkung in seinen verschiedenen bekannten Artikeln in den Preuß. Jahrbüchern keineswegs. Schon die mechanische Berechnung unter Vergleichung der Zahl der begründeten Bauernhöfe mit der Zahl der Polen ist für Niemand, der sich das Kulturwerk der Kolonisation an Ort und Stelle betrachtet hat, beweiskräftig; wenige Dörfer mit je ein Dutzend deutschen Höfen germanisieren eventuell mehrere Quadratmeilen, natürlich vorausgesetzt, daß der proletarische Nachschub aus dem Osten abgedämmt wird und daß man nicht, indem man die Abbröckelung und den Zerfall des Großbesitzes im Uebrigen sich selbst und dem durch die Rentengutsgesetze noch weiter entbundenen freien Spiel der Kräfte allein überläßt, dem Faß, in welches man schöpft, den Boden ausschlägt.