Seite:Max Weber - Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik Seite 21.jpg

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der Pandektisten beginnt es hie und da leise ökonomisch zu spuken; und in den Urteilen der Gerichte finden wir nicht selten, wo die juristischen Begriffe zu Ende gingen, sogenannte „wirtschaftliche Gesichtspunkte“ an die Stelle gesetzt, – kurz, um das halb vorwurfsvolle Wort eines juristischen Kollegen zu gebrauchen: wir sind „in die Mode gekommen“. – Eine Betrachtungsweise, welche sich so selbstbewußt Bahn bricht, geräth in die Gefahr gewisser Illusionen und einer Ueberschätzung der Tragweite der eigenen Gesichtspunkte, – einer Ueberschätzung zumal in einer ganz bestimmten Richtung. Wie die Verbreiterung des Stoffes der philosophischen Betrachtung, – welche sich schon äußerlich darin kenntlich macht, daß wir heute vielfach die alten Lehrstühle der Philosophie den Händen z. B. hervorragender Physiologen anvertraut finden, – unter uns Laien vielfach zu der Meinung geführt hat, als seien die alten Fragen nach dem Wesen des menschlichen Erkennens nicht mehr die letzten und centralen Probleme der Philosophie, so hat sich in den Köpfen der aufwachsenden Generation auch die Vorstellung gebildet, als sei Dank der Arbeit der nationalökonomischen Wissenschaft nicht nur die Erkenntnis des Wesens der menschlichen Gemeinschaften gewaltig erweitert, sondern auch der Maßstab, an welchem wir in letzter Linie die Erscheinungen bewerten, ein völlig neuer geworden, als sei die politische Oekonomie in der Lage, ihrem eigenen Stoff eigenartige Ideale zu entnehmen. Die optische Täuschung, als gäbe es selbständige ökonomische oder „sozialpolitische“ Ideale, wird freilich als solche klar, sobald man an der Hand der Litteratur unserer Wissenschaft diese „eigenen“ Grundlagen der Bewertung zu ermitteln sucht. Ein Chaos von Wertmaßstäben teils eudämonistischer, teils ethischer Art, oft beider in unklarer