Seite:Max Weber - Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik Seite 22.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Identifikation, tritt uns entgegen. Werturteile werden überall unbefangen gefällt – und ein Verzicht auf die Beurteilung der ökonomischen Erscheinungen bedeutete ja in der That den Verzicht auf eben diejenige Leistung, die man von uns verlangt. Aber nicht die Regel, sondern fast die Ausnahme ist es, daß der Urteilende Andere und sich selbst ins Klare setzt über den letzten subjektiven Kern seiner Urteile, eben über die Ideale, von welchen aus er zur Beurteilung der beobachteten Vorgänge schreitet: die bewußte Selbstkontrolle fehlt, die inneren Widersprüche des Urteils kommen dem Schriftsteller nicht zum Bewußtsein und, wo er sein spezifisch „ökonomisches“ Prinzip der Beurteilung allgemein zu formuliren sucht, fällt er in vage Unbestimmtheiten. In Wahrheit sind es keine eigenartigen und selbstgewonnenen, sondern die alten allgemeinen Typen menschlicher Ideale, die wir auch in den Stoff unserer Wissenschaft hineintragen. Nur wer ausschließlich das rein platonische Interesse des Technologen oder wer umgekehrt die aktuellen Interessen einer bestimmten, sei es herrschenden oder beherrschten Klasse zu Grunde legt, kann jenem Stoffe selbst einen eigenen Maßstab zu seiner Beurteilung entnehmen wollen.

Und sollte es so ganz unnötig sein, daß gerade wir Jünger der deutschen historischen Schule uns diese überaus einfachen Wahrheiten vor Augen führen? Gerade wir verfallen leicht einer speziellen Illusion: derjenigen, uns des eigenen bewußten Werturteiles überhaupt enthalten zu können. Die Folge ist freilich, wie man sich leicht überzeugen kann, nicht, daß wir einem entsprechenden Vorsatze treu bleiben, sondern daß wir unkontrollierten Instinkten, Sympathien und Antipathien, verfallen. Und noch leichter widerfährt es uns, daß der Punkt,