Seite:Max Weber - Der Sozialismus Seite 13.jpg

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der moderne Sozialismus geboren. Ueberall, zu allen Zeiten und in allen Ländern der Erde hat es Sozialismus von den verschiedensten Arten gegeben. Der moderne Sozialismus in seiner Eigenart ist nur auf diesem Boden möglich.

Diese Unterworfenheit unter die Arbeitsdisziplin ist für die gewerblichen Arbeiter deshalb so außerordentlich fühlbar, weil im Gegensatz etwa zu einer Sklavenplantage oder einem Fronhof der moderne gewerbliche Betrieb auf einem außerordentlich scharfen Ausleseprozeß ruht. Ein heutiger Fabrikant stellt nicht jeden beliebigen Arbeiter, nur weil er etwa zu einem billigen Lohne arbeiten wollte, ein. Sondern er stellt den Mann im Akkordlohn an die Maschine und sagt: „So, jetzt arbeite, ich werde sehen, wie viel du verdienst“; und wenn der Mann sich nicht imstande zeigt, einen bestimmten Mindestlohn zu verdienen, so wird ihm gesagt: „Es tut uns leid, Sie sind für diesen Beruf nicht begabt, wir können Sie nicht brauchen.“ Er wird ausgeschieden, weil die Maschine nicht voll ausgenützt wird, wenn an ihr nicht ein Mann steht, der sie voll auszunützen versteht. So oder ähnlich verläuft das überall. Jeder moderne gewerbliche Betrieb im Gegensatze zu jedem Sklavenbetrieb der Antike, wo der Herr an die Sklaven gebunden war, die er hatte, — wenn einer von ihnen starb, so war das ein Kapitalsverlust für ihn — beruht auf diesem Prinzip der Auslese, und diese Auslese wird auf der andern Seite auf das außerordentlichste verschärft durch die Konkurrenz der Unternehmer untereinander, welche den einzelnen Unternehmer an bestimmte Lohnmaxima bindet: der Zwangsläufigkeit der Disziplin entspricht die Zwangsläufigkeit des Verdienstes der Arbeiter.

Wenn heute der Arbeiter zu dem Unternehmer kommt und sagt: „Wir können mit diesen Löhnen nicht existieren und du könntest uns mehr zahlen“, so ist der Unternehmer in neun von zehn Fällen — ich meine in Friedenszeiten und in den Branchen, in denen wirklich scharf konkurriert wird — in der Lage, den Arbeitern aus seinen Büchern nachzuweisen: das geht nicht; der Konkurrent zahlt die und die Löhne; zahle ich euch auf den Kopf nur so und so viel mehr, so verschwindet aus meinen Büchern jeder Gewinn, den ich den Aktionären zahlen könnte, ich könnte den Betrieb nicht fortfahren, denn ich bekäme keinen Kredit von der Bank. Damit sagt er recht oft nur die nackte Wahrheit. Dazu tritt schließlich noch,

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Max Weber: Der Sozialismus, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Max_Weber_-_Der_Sozialismus_Seite_13.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)