Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 055.jpg

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daß er ihn heraufziehe. Dennoch ließ er sein Seil zum vierten Mal in die Thiergrube hinab und brachte dießmal richtig den Bedienten herauf.

Als dieser das viele Geld sah, so faßte er den gottlosen Entschluß, seinen Erretter zu verrathen und machte auch sogleich beim Gericht die Anzeige, daß dieser Kaufmann mehre Menschen, die man vermißte, gemordet und ausgeplündert und daher das viele Geld bekommen habe. Die Wahrheit aber war, daß eben dieser Bediente selbst jene Menschen gemordet und beraubt hatte. – Weil nun das Gericht den Kaufmann für den Mörder hielt, so wurde ihm zur Strafe die Haut abgezogen und auf eine Eiche gehängt; er selbst aber wurde mit Stricken an dem Baume festgebunden und sollte auf die Art elendiglich sterben. Da kamen jedoch der Löwe und der Bär, die er befreit hatte, und zernagten die Stricke und führten ihn in ihre Höhle und pflegten ihn hier, bis daß er geheilt war und beschenkten ihn dann, als er fortgieng, wiederum mit Geld und mit Kleidern. – Wie das Gericht aber sah, daß er entkommen und am Leben geblieben war, nahm man ihn zum zweiten Male gefangen und warf ihn in einen Thurm. – Da besuchte ihn die Schlange und sprach: „Bist Du auch einmal in Noth?“ – „Ach ja, sprach er, ich weiß mir nicht mehr zu helfen!“ Sprach die Schlange: „Nun, ich will Dir schon beistehen; ich habe so eben des Königs Tochter in die Stirn gestochen, also, daß Niemand ihr helfen kann. Hier aber bring’ ich Dir ein Kraut, wenn Du damit ihre Stirn bestreichst, so wird sie in drei Stunden geheilt sein.“

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_055.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)