Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 095.jpg

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Jemand hinter dem Ofen, in einer finstern Ecke, worauf der Geistliche fragte, wer denn da noch hinterm Ofen sei?

Da sagte der alte Kohlenbrenner: „Das ist mein Sohn, der war viele Jahre lang fort, kommt endlich ganz zerlumpt wieder und sagt: er sei Vize-König von Böhmen; die Räuber aber hätten ihm unterwegs Alles abgenommen; allein ich glaube, daß es ihm im Kopfe spukt.“ Da dachte die Vize-Königin still für sich: „So, so! Prinz von Schwarzdorf!“ und gab dem Kohlenbrenner, der noch in’s Wirthshaus zur Kirchweih wollte, einen Dukaten und sprach: „trinkt auch meine Gesundheit und gebt dem Burschen da noch etwas zu eßen!“ Dann eilte der Kohlenbrenner ganz glückselig fort und sagte zu seiner Frau: „komm auch bald nach, Alte!“ Und als sie fertig war und zu ihrem Manne wollte, bekam sie von dem Geistlichen ebenfalls einen Dukaten und wußte gar nicht, was sie vor lauter Freude nur anfangen und sagen sollte.

Sobald nun die beiden Alten fort waren, legte die Vize-Königin die Priesterkutte ab und zog ihr Brautkleid an, und nahm ein Licht in die Hand und sah dem Burschen, der hinter dem Ofen angebunden lag, in’s Gesicht. Da erkannte sie sogleich ihren Gemahl und er erkannte sie und fieng bitterlich an zu weinen. Sie aber rief ganz erfreut: „Ei, weine doch nicht! Du bist und bleibst ja mein lieber Gemahl!“ Dann machte sie ihn los, wusch ihn und legte ihm sein Hochzeitskleid an, das sie mitgebracht hatte, und dann giengen sie mit einander Arm in Arm in’s Wirthshaus.

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_095.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)