Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 109.jpg

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Jetzt sollte zu Nacht gegeßen werden. Der Vater schickte den Hans in die Küche, er sollte die Suppe holen. Hans gieng hin, nahm die Suppenschüßel, trug sie bis in die Thür, und – „patsch, da liegst!“ daß die Suppe in der Stube herumschwamm. Da wurde der Vater ganz wild und ergriff einen dicken Stock, und hätte ihn gewiß grün und blau geschlagen; allein die fremde vornehme Dame litt es nicht. Dann wollte der Vater ihn wenigstens zur Stube hinausjagen; allein auf Bitten der Dame mußte er da bleiben und seine Streiche fortmachen.

Als es nun Schlafenszeit war, wurde dem Hans wieder der Gänsestall unter der Treppe angewiesen; die Königin aber flüsterte ihm heimlich in’s Ohr: „ich laß’ ein Fenster offen!“ und gieng zu Bett. Und wie nun Alles im Hause fest eingeschlafen war, kroch Hans aus seinem Stalle hervor, kletterte auf den Nußbaum, der hinter dem Fenster stand, und stieg von da in’s Fenster und husch! zu seiner Königin hinein.

Da gab’s ein Küssen und Drücken, als sie sich wieder hatten, und schliefen vergnügt beisammen, bis daß der helle Tag anbrach. Dann legte Hans seine königlichen Kleider an, die ihm seine Gemahlin mitgebracht hatte, und gieng an ihrer Seite hinunter in die Wirthsstube und sagte seinem stolzen Vater und den beiden Brüdern rechtschaffen die Meinung, daß sie ihn so gequält hatten. Sein väterliches Erbtheil aber vermachte er den Armen und zog vergnügt mit seiner Gemahlin wieder in die Hauptstadt seines Reiches, wo er sein Lebenlang in Frieden und Freude regiert hat.

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_109.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)