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31. Das Schiff, das zu Waßer und zu Lande geht.

Es war einmal ein König von Holland, der ließ in seinem Reiche bekannt machen, daß wer ein Schiff bauen könne, das zu Waßer und zu Land gehe, der dürfe seine Tochter heirathen und solle König werden. Da war nun ein reicher Müller in Holland, der hatte drei Söhne, und sprach zu ihnen: „ich will gern Alles aufwenden, was ich habe; versucht es doch, ob nicht einer von Euch ein solches Schiff zuwege bringt!“ Ja, das wollten sie alle drei recht gerne thun und stritten sich darum, wer’s zuerst probiren dürfe, bis daß endlich der Vater gebot: der Aelteste solle den Anfang machen. Er gab ihm Käse, Brod und Wein und schickte ihn mit seinen Arbeitern in den Wald, um Holz zu fällen; und als sie einen Taglang darin gearbeitet hatten, kam ein alter Mann daher und bat um ein Stück Brod. Der Sohn aber sagte: „ich habe nur Brod für mich und meine Leute, ich kann Dir nichts abgeben.“ „Was machen denn die Leute da?“ fragte der alte Mann. „Ein Schiff, das zu Waßer und zu Lande geht!“ sagte der andere. „Das werden sie wohl bleiben laßen!“ sagte der alte Mann und gieng weiter. Und wie er’s gesagt hatte, so geschah es auch; denn sie arbeiteten ganz umsonst und konnten ein solches Schiff nicht zu Stande bringen.

Als der älteste Sohn nun wieder nach Haus gekommen war, so zog der zweite aus, nahm Zimmerleute mit und Brod und Käse und Wein, und fieng auch an, im Walde Holz zu hauen. Da kam derselbe alte Mann zu ihm her

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_111.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)