Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 135.jpg

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so blas nur in diese Pfeife hinein! dann wollen wir Dir schon zu Hülfe kommen.“ So ließ sie sich denn bereden und ward die Frau des fremden Mannes, bewirkte es aber, daß ihre Schwester sie begleiten durfte, als der König Blaubart sie zu seinem Schloße führte.

Als die junge Gemahlin dort ankam, herrschte großer Jubel im ganzen Schloße und auch der König Blaubart war ganz vergnügt. Das gieng etwa vier Wochen lang so fort; da wollte er verreisen und übergab seiner Gemahlin alle Schlüßel des Schloßes und sagte: „Du darfst überall im ganzen Schloße umher gehen und aufschließen und besehen, was Du willst; nur die eine Thür, zu welcher dieser kleine goldene Schlüßel gehört, die darfst Du, so dein Leben Dir lieb ist, nicht aufschließen!“ O nein, sie wollte diese Thür auch gewiß nicht öffnen, sagte sie. – Als aber der König eine Weile fort war, hatte sie keine Ruhe mehr und dachte beständig daran, was wohl in der Kammer sein möchte, die er ihr verboten hatte, und war schon im Begriff, sie aufzuschließen; da kam aber ihre Schwester dazu und hielt sie noch davon zurück. Allein am Morgen des vierten Tags konnte sie es nicht mehr über’s Herz bringen und schlich sich heimlich mit dem Schlüßel hin und steckte ihn in das Schloß und öffnete die Thüre. Aber wie entsetzte sie sich da, als das ganze Zimmer voller Leichen lag, und das waren lauter Weiber. Sie wollte zwar die Thür sogleich wieder zuschlagen; allein der Schlüßel fiel heraus und in’s Blut. Nun hob sie ihn schnell auf, aber er hatte Blutflecken, und wie viel sie ihn auch reiben und putzen mochte, die Flecken waren nicht

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_135.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)