Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 151.jpg

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und er sich gar nicht mehr zu helfen wußte; denn der Geist des Kaufmanns ließ sich nirgends sehen.

Endlich kam der Vogel angeflogen und hielt einen Degen im Schnabel, setzte sich in das offene Fenster und sagte: „nimm den Degen und hau mir den Kopf ab!“ Karl aber sagte: „Ach nein, das kann ich nicht!“ „Wenn Du das nicht thust, sagte der Vogel, so kann ich Dir auch nicht helfen.“ Da nahm er den Degen und hieb dem Vogel den Kopf herunter; da fiel der Kopf in’s Zimmer, der Rumpf aber flog fort, und mit einem Male stand der Geist des gehängten Kaufmanns vor Karl, worüber er so erschrack, daß er ohnmächtig wurde und bewußtlos zu Boden fiel.

Nachdem er auf die Art eine lange Zeit in tiefem Schlafe gelegen hatte, klopfte Jemand an der Thür, davon wachte er auf und sah, daß das ganze Zimmer bemalt war; an der Decke war das Firmament dargestellt, Sonne, Mond und Sterne, an den Seiten aber sein eigener Lebenslauf, von seiner ersten Reise nach Italien an bis zu dieser zweiten. Darauf öffnete er die Thür, um zu sehen, wer geklopft hatte; es war der König, der mit seinen beiden Töchtern die Malerei besehen wollte. Kaum aber waren sie hereingetreten, als die älteste Tochter ihn erkannte und rief: „Um Gottes willen, lieber Mann, wie bist Du hieher gekommen?“ Da erzählte er Alles, was ihm begegnet war, und seine Frau erzählte ihrem Vater nun, wie dieser Mann sie von den Seeräubern losgekauft und wie sie schon seit mehren Jahren seine Frau geworden sei; wie sie dann auf ihrer jetzigen Heimreise mit dem Prinzen zusammen getroffen

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_151.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)