Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 162.jpg

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der aber blieb still liegen. Dann winkte er zum zweiten Male, worauf er wiederum sich nicht rührte und regte. Darauf faßte ihn der Geist und zog ihn mit Gewalt zum Bett heraus und gab zu verstehen, daß er ihn rasiren solle, und setzte sich auf einen Stuhl. – Da machte der Reisende sogleich den Schaum zurecht, seifte das Gesicht des Geistes gehörig ein und rasirte ihm den langen Bart herunter, daß es eine Art hatte. – Dann rasirte auch der Geist den Reisenden und sagte, nachdem dieser es gelitten: „jetzt endlich bin ich erlöst! Seit dreihundert Jahren muß ich schon in diesem Schloße umgehen und noch nie hat mich einer rasiren wollen. Ich bin früher Barbier in dem Kloster gewesen und habe einen dicken Klosterbruder einmal zum Schabernack in die Lippen geschnitten, daß das rothe Blut auf den Boden floß und ich mich des Lachens nicht enthalten konnte. Zur Strafe dafür hat er mich auf dreihundert Jahre in’s Kloster verwünscht.“

Dann fragte er den Fremden: „was wünschest Du Dir jetzt? willst Du sterben, oder was magst Du sonst?“ Der andre meinte, nein, sterben möge er noch nicht; er wünsche sich aber Geld, denn das hab er zum Leben nöthig. „Nun, sprach der erlöste Barbier, so geh nur hin und heb die Steine auf, die vor der Klosterthür liegen, da wirst Du Geld genug finden!“ – Wie er nun den ersten Stein aufhob, sprang eine „Krott“ (Kröte) ihm entgegen, und das war gewiß Niemand anders, als der Teufel; unter dem zweiten Steine aber fand er einen Schatz, an dem er sein Lebenlang genug hatte.

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_162.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)