Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 228.jpg

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hatte sogleich die Knechte ihres Vaters bestellt; die umgaben das Haus und nahmen den Räuber gefangen. Der wurde dann vor ein Gericht gestellt und verurtheilt und hingerichtet.

Zugleich aber verlangte der Richter von der jungen Frau, daß sie seinen Leuten den Weg zu dem Räuberschloße zeigen sollte, damit auch die Gehülfen des gottlosen Mannes ihre Strafe bekämen. Das that die Frau auch sogleich und wies den Leuten den Weg in den Wald. Weil sie aber vorangieng, und die andern nicht recht Acht gaben und zurückblieben, so geschah es, daß sie plötzlich ihre Führerin verloren hatten und deshalb wieder umkehrten. Da irrte die Frau nun allein herum und stieß mit einem Male auf die Räuberbande und wurde gefangen genommen. „Da haben wir also das böse Weib, das unsern Hauptmann verrathen hat!“ sagten die Räuber und beschloßen, sie lebendig in Harz zu sieden, und banden sie an einen Baum und begaben sich in den Wald, um Holz und Harz herbeizuschaffen.

Als die arme Frau nun bitterlich weinte, kam plötzlich die alte Mutter des geköpften Räubers zu ihr und band sie los, weil sie Mitleid mit ihr hatte. Dann eilte sie so schnell sie nur konnte, zum Walde hinaus, und traf auf der Straße einen Fuhrmann, der hatte Reife (Faßringe) geladen, und den bat sie, er möge sie doch aufsitzen laßen und unter den Ringen verstecken, weil die Räuber sie verfolgen könnten. Der Mann aber sagte: „das könnte mir Wagen und Pferde kosten! ich mag mit den Räubern nichts zu thun haben!“ Da gieng die Frau fort und kam bald zu einem zweiten Fuhrmann, der hatte Fäßer auf dem Wagen und auch keinen

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_228.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)