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begann, nachdem ich mich sehr langsam aufrecht gesetzt hatte, diese Ranken zu mir herabzuziehen. Ein guter Gedanke. Mir wurde warm dabei. Die Arbeit, aus den Ranken ein Tau zu drehen, hatte ich zwar persönlich noch nicht versucht, aber oft genug zugeschaut. Leider stand mir hier kein Bottich mit heißem Tran wie daheim an der Gallegos-Bucht meinen braunen Freunden zur Verfügung, – Tran, in den die Ranken „eigentlich“ vier Tage lang vor der Seilerei eingeweicht werden sollen. Nun, es mußte auch so gehen. Und es ging. Natürlich nicht ohne Geräusch und nicht ohne stärkere Bewegungen. Die Ranken sollten nicht geknickt werden, und bei manchen mußte ich mit aller Kraft ziehen, um ein möglichst langes Stück zu erobern. Viele saßen oben in meinem „Schirm“ fest, und der Schirm schwankte dann hin und her wie eine richtige schaukelnde Hängematte, in der eine Zigaretten rauchende Sennorita ruhte – ruhen könnte. Die Sennorita war wo anders, nicht über, sondern tief unter mir in der Schlucht. Zum mindesten war sie dort gewesen. Coy hatte sie deutlich gesehen. Und Coy schwindelte nur bei nichtigen Anlässen, genau wie er kleine Diebstähle als amüsanten Sport betrachtete, besonders wenn es um Sprit ging. Er war kein Säufer. Dazu fehlte es ihm an dem nötigen Quantum Whisky, Kognak, Rum oder … Brennspiritus, denn auch letzteren rechnete der mutmaßliche Enkel des ersten und einzigen Königs von Araukanien zu den Genußmitteln.

Ich spielte Seiler. Man lernt alles. Wer nicht alles sich an Fertigkeiten anzueignen vermag, die er anderen ablauscht, ist kein Mann. Und ich führe den Ehrentitel El Gento. Ich prahle damit, denn

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Max Schraut: Mein Freund Coy. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1929, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mein_Freund_Coy.pdf/103&oldid=- (Version vom 1.8.2018)