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eine Frau, von der ich nichts sah, die ich nur fühlte – zu sehr fühlte. Eine bewußtlose Frau, die ganz schwach atmete und die dann plötzlich ganz schwach seufzte.

Finsternis ringsum …

Wieder seufzte sie, und ein leises Zucken ging durch ihre Glieder. Die jungfräulich-feste, sanft gerundete Brust, die meinen Arm weich berührte, hob sich zu einem tiefen Atemzuge. Im selben Moment kehrte meiner Unsichtbaren auch die Besinnung zurück. Es war erstaunlich, wie rasch sie ihre Lage richtig erfaßt hatte.

„Wer sind Sie?“ fragte sie leise in völlig akzentfreiem Englisch. – Eine Engländerin ohne Frage und sicherlich eine Landsmännin …

„Ein Europäer, Miß, der Sie hier unten bewußtlos auffand,“ erwiderte ich ebenso gedämpft.

„Der, den der Chilene herabwarf …?“ meinte sie schlicht. „Ich beobachtete alles … Aber dann traf mich ein herabsausender Stein …“

„Es war ein morscher Baum, Miß – zum Glück!“

Wirklich – diese Frau, wer es auch sein mochte, war in ihrem gänzlichen Mangel an Prüderie bewundernswert. Sie blieb ruhig auf meinem Schoße sitzen und erklärte nun halb scherzend:

„Wir haben eben beide Glück gehabt … – Finden Sie es hier sehr gemütlich?!“

„Durchaus nicht – wenigstens was die Umgebung angeht, Miß …“ Das sollte immerhin eine kleine Galanterie sein. Kaum hatte ich’s ausgesprochen, als dieser Rückfall in das törichte Phrasentum der Gentlemen von Frackes Gnaden mich auch schon scheußlich ärgerte. „Kennen Sie

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Max Schraut: Mein Freund Coy. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1929, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mein_Freund_Coy.pdf/111&oldid=- (Version vom 1.8.2018)