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trat, behielt[1] der Kopf des Fremden dieselbe Haltung bei. Der Mann war blind.

„Fürchten Sie nichts,“ erklärte ich herzlich. „Ich bin ein Europäer wie Sie, und …“

„… Europäer sind die schlimmsten Schurken.“

„Da haben Sie nicht ganz unrecht … Was mich betrifft, so rechne ich mich nicht mehr zu denen, die das große Kontingent der Halunken stellen. Ich habe der Zivilisation Lebewohl gesagt. Ich hatte sie nach acht Monaten schuldloser Zuchthausstrafe satt.“

„Ah – das gefällt mir …“ Er lächelte ironisch aber sein entsetzliches Gesicht wurde durch dieses Lächeln zur Satansfratze. „Da können wir uns die Hand reichen, Sir … Ich bin Kollege, auch Zuchthäusler a. D., auch schuldlos eingesperrt gewesen. Vielleicht kennen Sie das Gefängnis in Valdivia.“

„Nein. Das nicht. – Aber ich denke, ich kann vielleicht für Sie jetzt zunächst irgend etwas tun. Sie scheinen hungrig zu sein … Darf ich.“

„Danke, Sir … Ihr Name?“

„Ich hieß einmal anders … Jetzt nennen meine indianischen Freunde mich in ihrem verpfuschten Kauderwelsch von Englisch-Spanisch El Gento, womit sie freilich etwas für mich höchst Ehrenvolles zum Ausdruck bringen wollen, nämlich eine Verquickung der Begriffe Herr und Mann …“

„Verstehe,“ nickte der Blinde, und sein Kopf war nach links gewandt, wo der Gaul des Tehuelchen soeben am Rande der Uferhöhe beim Grasrupfen ein wenig Sand hatte in die Tiefe rieseln lassen. „Ist dort noch jemand, El Gento?“ fügte er sofort

  1. Vorlage: vehielt
Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Mein Freund Coy. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1929, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mein_Freund_Coy.pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)