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rasch die Farbe wechselte, der scheinbare Dunst verschwand und jene durchsichtige, tote Graubläue sich bemerkbar machte, die stets die Vorboten der ersten Sonnenstrahlen ist.

In der Schlucht wurde es gleichfalls heller. Es gab hier übergenug zu sehen. Die ungewisse Dämmerung, an die das Auge sich schnell gewöhnte, enthüllte die abschreckende Szenerie dieser Felsentiefe, durch die sich in wechselnder Breite, aber nirgends über drei Meter, der Gletscherbach wie ein weißlicher Streifen gurgelnd, schäumend und plätschernd hindurchwand und nach Südost zu verschwand. Von dem Gletscher selbst war von hier aus nichts zu bemerken. Die Schlucht machte offenbar große Windungen nach Norden zu, und vorgelagerte Berge versperrten die Aussicht auf die ewigen Schneegefilde der Anden vollkommen.

Die Tageshelle wuchs rasch. Und meine Augen schweiften hier unten über die Haufen faulender Baumstämme, über modernde Laubberge, über bemooste Felsen und Steine, über Farnkräuter, Dorngerank und von oben herabhängende Hopfenstauden, – – und alles, alles triefte von Nässe, alles befand sich in einem Zustand halber Fäulnis, stank, dunstete …

Die Schlucht war an dieser Stelle zwanzig Meter breit. Beide Wände ganz steil, aber bedeckt mit allerlei kärglicher Vegetation, – belebt durch die grüngelben wagerechten Pflanzensprungtücher von verschiedener Größe. Kein Kinoregisseur, kein Kinobaumeister konnte etwas so Unheimlich-Düsteres ersinnen als diesen Schlund, dessen eisige Feuchtigkeit die Lunge bei jedem Atemzuge belästigte.

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Max Schraut: Mein Freund Coy. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1929, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mein_Freund_Coy.pdf/121&oldid=- (Version vom 1.8.2018)