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Die wenigen Minuten, die Coy zum Erklimmen des Randes des Steilhangs gebrauchte, hatten merkwürdigerweise auch mir zu einer völligen Belebung meines erschöpften Ichs genügt. Fraglos tat dabei der Wunsch, vor meinem braunen Freunde nicht zurückzustehen, das seine. Ich begann gleichfalls zu klettern. Und je höher ich kam, je mehr die frische Luft der freien Berghöhen und der Glanz des Tagesgestirns mich umspielten, desto beweglicher wurde ich. Coy hatte nur kurz zu mir herabgeblickt und war dann verschwunden. In halber Höhe des Abhangs ruhte ich mich aus. Das Tau pendelte leicht hin und her. Das Eisrohr der Gletscherzunge und der enorme Strahl intensiv grünlich schillernden Wassers war jetzt keine vier Meter von mir entfernt. Ich spürte die Kälte, die der Eismasse entströmte, aber es war eine andere Kälte als dort unten im Höllenschlund.

Weiter … Meine Muskeln arbeiteten fröhlich, mein Sinn war heiter und froh. Ich freute mich auf das, was ich sehen würde, – ich ahnte bereits, was allein es sein konnte. Freilich: Die Wirklichkeit war nachher doch noch imposanter, eigenartiger als das Spiel meiner Phantasie.

Weiter … Immer flotter … Jetzt trafen mich die ersten Sonnenstrahlen. Noch vier Kletterschlüsse, ein Schwung, und ich stand in grobkörnigem harten Schnee – auf einem nach Osten zu sich bergab ziehenden Schneefelde, während halb links von mir der durch kahle Berge eingeengte Gletscher mit seiner teils blanken, teils mit Steingeröll bedeckten Oberfläche schroff zu den Höhen eines einzelnen blendend weißen Bergmassivs emporlief.

Von Coy nichts zu sehen …

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Max Schraut: Mein Freund Coy. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1929, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mein_Freund_Coy.pdf/151&oldid=- (Version vom 1.8.2018)