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Anderes sah ich …

Noch weiter links war ein Teil der ungeheuren Eismasse, die ja in steter Abwärtsbewegung begriffen ist, zwischen den nackten Wänden eines kleinen Seitentales festgeklemmt. Dort klafften deutlich erkennbar eine Spalte von vielleicht drei Meter Breite, so daß dieses kompakte Eis dort in dem Tale, das freilich bis obenan ausgefüllt war, die Wanderung nicht mitmachte.

Und dort vor der langen Spalte, die von Talrand zu Talrand lief, lagen Coys Satteltaschen.

Ich begann vorsichtig den Marsch über den Gletscher, benutzte meine Büchse als Bergstock und vermied alle blanken, feucht schimmernden Stellen. Erinnerungen an meine Knabenzeit wuchsen aus der Vergangenheit empor. Neun Jahre war ich gewesen, als meine Eltern mit mir Norwegen besucht hatten. Schon damals war die Entfernung zwischen meinem ernsten, verschlossenen, schwerblütigen Vater und meiner einst so sonnigen, heiteren Mutter, einer echten lebensfreudigen Berlinerin, so groß gewesen, daß auch mein jugendliches Gemüt in dem Vater nur den Feind und Störenfried des zwischen meiner geliebten Mammi und mir bestehenden innigen Verhältnisses betrachtete. Schon damals hatte meine Mutter dahinzuwelken begonnen, und als wir drei während dieser freudlosen Reise im Nordwesten der Fjordstadt Odda oben auf dem bekannten Buarbrä-Gletscher uns befunden hatten, war meine Mutter ins Gleiten gekommen – vielleicht absichtlich – gerade auf eine Gletscherspalte zu, aus deren Tiefen das Gurgeln und Schäumen des Wassers drohend und geheimnisvoll zur Oberwelt empordrang. Ich hatte aufgeschrien, und mein Vater war ohne

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Max Schraut: Mein Freund Coy. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1929, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mein_Freund_Coy.pdf/152&oldid=- (Version vom 1.8.2018)