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Besinnen der Bedrohten über die spiegelglatte Eisfläche gefolgt, hatte sie noch ergriffen, bevor der Eisschlund sie verschlingen konnte … Und meines Vaters bleiches Gesicht war mir von damals her ein unauslöschliches Bild geblieben – ein Gesicht, das mich die Wahrheit nicht erraten ließ: auf seine Art hatte er meine Mutter geliebt, und Schreck und Angst blieben noch stundenlang nachher in seinen umflorten Augen.

Erinnerungen …

Erinnerungen – genau wie das hier Niedergeschriebene – Wort an Wort Gereihte, während der Wind in den Blättern meiner Dichterlaube säuselt und Coys Rangen, die ich wie ein Vater liebe, sich im Messerwerfen üben. Und Coy – ist tot …

Coy lebt, wird immer leben, in mir, in meinem Herzen, so lange es noch pocht und hämmert und mein Hirn ernährt.

Coys Satteltaschen nun dicht vor mir. Dicht vor mir die Spalte – grünblau in den Tiefen, voller blanker Höcker, voller Felsblöcke, Steine.

Steine, eingefroren in die Eismasse für alle Ewigkeit … Steine, die eine Treppe bildeten, einen Pfad hinab in das Mausoleum des einzigen Königs von Araukanien.

Steine, auf denen sich die feuchten Abdrücke der feuchten Stiefelsohlen Coys abzeichneten.

Ich schulterte auch seine Satteltaschen. Und stieg hinab in die grünblaue Dämmerung, Stein um Stein, Schritt für Schritt, Stufe um Stufe, bis hinter einem vorspringenden Eisblock, dem ich gebückt ausweichen mußte, vor mir ein breiter, oben flach gehauener Buchenstamm lag, eine Brücke zum toten, eingeklemmten Teile des Gletschers.

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Max Schraut: Mein Freund Coy. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1929, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mein_Freund_Coy.pdf/153&oldid=- (Version vom 1.8.2018)