Seite:Messungen an Becquerelstrahlen.djvu/3

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daß die Relativtheorie durch seine Versuche als widerlegt zu betrachten sei.

Durch dieses Ergebnis war eine Situation von einzigartiger Schwierigkeit geschaffen.

Während nun einige Physiker das Relativitätsprinzip weiter ausbauten in der Erwartung, daß genauere Messungen schließlich doch seine Bestätigung bringen würden, sahen andere, und dazu gehörte auch ich, damals die Kaufmannschen Resultate als entscheidend an. Da alle sonstigen Beobachtungen auf das Bestehen irgendeines noch unbekannten Relativitätsprinzips hinwiesen, so entwickelte ich ein neues Relativitätsprinzip, welches aber nur den Charakter einer Rechenvorschrift beanspruchte. Die Kaufmannschen Messungen waren mit diesem Prinzip vereinbar und es handelte sich, wie ich damals wähnte, nur noch um die Untersuchung der Ablenkung von schief gegen das magnetische Feld fliegenden Elektronen. Hier müßten Unterschiede gegen die Maxwellsche Theorie auftreten.

Eine Klärung der geschilderten Sachlage konnte nur durch neue, mit wesentlich erhöhter Präzision angestellte Versuche bewirkt werden. Ich arbeitete zu diesem Zwecke eine neue Versuchsanordnung aus, die ich bereits in der Physikalischen Zeitschrift[1] beschrieben habe. Die gewählte Methode gestattet sowohl eine Prüfung meines Relativitätsprinzips, d. h. eine Untersuchung der Ablenkung schief gegen die Feldrichtung fliegender Elektronen, als auch eine Prüfung des Lorentz-Einsteinschen Relativitätsprinzips und der ursprünglichen Maxwellschen Theorie, also derselben Frage, die den Gegenstand der Kaufmannschen Untersuchung gebildet hatte. Man läßt Becquerelstrahlen durch ein Kondensatorfeld fliegen und kompensiert die auf die Elektronen wirkenden elektrischen Kräfte durch Überlagerung eines gleichförmigen Magnetfeldes, welches den Platten des Kondensators parallel ist. Nach dem Austritt aus dem Kondensator wirkt dann das Magnetfeld allein auf die Strahlen. Die abgelenkten Elektronen fallen auf einen photographischen Film, so daß die Ablenkung gemessen werden kann. Da die von dem Magnetfelde herrührende Kraft der Geschwindigkeit der Elektronen proportional ist, so kann die Kompensation nur für eine ganz bestimmte Geschwindigkeit bestehen, und nur Elektronen von dieser Geschwindigkeit können unabgelenkt das Kondensatorfeld durchfliegen und deshalb austreten.

Die Einzelheiten der Versuchsanordnung sind nun folgende: Der Kondensator besteht aus zwei kreisrunden horizontal liegenden Platten, deren Durchmesser ca. 8 cm und deren Abstand voneinander ca. ¼mm beträgt. Als Strahlungsquelle wird ein Körnchen Radiumsalz in Form einer Kugel und zwar das Fluorid anstatt des bisher verwandten Bromids zwischen die Platten in den Mittelpunkt des Kondensators gebracht. Da die spez. Konzentration des Radiums im Fluorid mehr als doppelt so groß ist wie im Bromid, so wird die Expositionszeit durch Verwendung des Fluorids ganz wesentlich herabgesetzt, was bei diesen Versuchen von großer Bedeutung ist. Der Kondensator befindet sich in einer zylinderförmigen Dose aus Messing und zwar in halber Höhe vom Boden, so daß seine Flächen genau senkrecht zur Zylinderachse liegen, die durch den Mittelpunkt des Kondensators geht. Die sehr exakt gearbeitete zylinderförmige Dose hat einen inneren Durchmesser von ca. 16 cm und eine innere Höhe von 8 cm. Die Dose kann durch einen aufgeschliffenen Glasdeckel luftdicht verschlossen werden, so daß sie evakuiert werden kann. Die zur Verwendung kommende Luftpumpe war eine Gaedepumpe, die sich vorzüglich bewährte. Durch passende Durchbohrungen werden die Zuleitungen von einer Akkumulatorenbatterie isoliert in das Messinggefaß eingelassen. Der photographische Film wird durch zwei Federn gegen die Innenwand der Dose angepreßt. Letztere läßt sich in das Innere eines Solenoids einschieben, dessen rechteckiger Querschnitt den Dimensionen der Dose angepaßt ist. Das Solenoid ist 103 cm lang und hat zwei Wicklungen von je 103 Windungen. Die mit dem Solenoid erreichbare Feldstärke war rund 140 Gauß.

Der Zweck meiner Anordnung ist leicht zu erkennen. Da die Richtungen der Strahlen nämlich alle möglichen Winkel α mit der Richtung der magnetischen Kraft bilden, so wird die Kraft, die nach der Maxwellschen Theorie auftritt, alle möglichen Werte annehmen. Wird die elektrodynamische Kraft und die elektrische εF kompensiert, so ist

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  1. 8, 430, 1907.