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Seite:Meyers Universum 13. Band 1848.djvu/62

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zu bauen in alle deutschen Herzen, und durch die öffentliche Meinung ein Zwangsrecht zu üben, dem sich keine positive Gewalt entziehen kann. Benutzen wir diese Zeit zur Aufklärung des Volkes über seine materiellen Interessen, damit, wenn der Tag komme, wo die Nation wieder zu Thron steigt als ihr eigner Gebieter, ihr das Verständniß nicht gebreche, ohne welches auch das höchste Maß von Freiheit dem Schutzbegehren der deutschen Arbeit noch keine Gewähr der Erfüllung gibt. Dieser Schutz, er muß anerkannt werden von der großen Mehrheit der Nation als sittliche Nothwendigkeit und er muß einen Grundpfeiler des deutschen Verfassungswerks bilden, welches aufzuführen einem neuen Volkstage beschieden ist.

In keinem Lande ist die Industrie noch groß geworden ohne legislative Pflege und Aufmunterung und ohne jenen Zollschutz, welcher der feindlichen, fremden Konkurrenz die Macht nimmt, sie im Entstehen zu unterdrücken und ihrer Entfaltung enge Schranken zu ziehen. Aber Zollschutz wird immer nur da seinen Zweck erreichen und eine gesunde, starke Industrie aufziehen, wo die natürlichen Bedingungen einer solchen vorhanden sind: Zunächst Beschäftigung suchende Menschen in Menge, folglich billigen Handlohn; Anstelligkeit, Sinn und Lust für Fabrikarbeit; wohlfeile Urstoffe; reichliche und billige Kommunikationsmittel und – Kapital. Ein wohlfeiler Brennstoff ist namentlich für die meisten Groß-Industrien ein Hauptbedürfniß. Ohne den unermeßlichen Steinkohlenschatz hätte z. B. England’s Fabrikation nie der Riese werden können, welcher sich die ganze Welt tributpflichtig gemacht hat. Aber auch welch ein Schatz! 40,000 Bergleute und 900 Dampfmaschinen mit der Kraft von 112,000 Pferden holen jährlich 1100 Millionen Zentner Kohlen, im Werthe von 250 Millionen Gulden, aus der Erde, und eine Flotte von 1800 Seeschiffen und 2000 Barken, bemannt mit 40,000 Matrosen, dient dazu, sie zu den Verbrauchsorten zu führen!

Neben einem solchen Bilde erscheint freilich alles winzig, was wir gleicher Art in Deutschland haben. Doch ist der Steinkohlenschatz um Zwickau, dessen bekannte Ausdehnung über 6 Fluren reicht und im Hauptfelde aus 9 Kohlenflötzen von zusammen über 130 Fuß Mächtigkeit besteht, von solcher Größe, daß eine Förderung von jährlich 1 Million Karren ihn in vielen Jahrhunderten nicht erschöpfen würde. Gegenwärtig bringen 1200 Bergleute mit 17 Dampfmaschinen etwa 400,000 Karren oder 3½ Millionen Zentner jährlich zu Tage. In Sachsen gilt das Gesetz, daß die Kohlenflötze nicht Eigenthum des Staats, sondern des Grundbesitzers sind. Früher war der Werth derselben wenig geachtet; seit er aber vollständig erkannt ist, sind mehre Dörfer um Zwickau zu großem Reichthum gelangt, und man hört dort von Bauern reden, die ¼ Million Thaler Kapitalien besitzen. Ein Acker Kohlenfeld ist schon mit 30,000 Thaler bezahlt worden; – dreimal theurer, als vor 50 Jahren das größte Bauerngut.

Fragen wir aber nach den Industrien zur großartigen Nutzung des Schatzes, so hören wir mit Verwunderung, daß auf diesem üppigen Boden bis jetzt noch wenige emporgewachsen. Nur ein wahrhaft großes