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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/102

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So sehr die Natur das Innere von Nicaragua begünstigt hat, so würden doch diese Vorzüge allein dem Küstenpunkte San Juan nicht die Bedeutung geben können, die er seit Kurzem gewonnen hat und die mit jedem Jahre schwerer in die Wagschale der Verhältnisse fällt, welche dem Verkehr der Welt und ihrer Völker neue Bahnen bereiten. Mit der Entdeckung der Schätze Kaliforniens und der Aufnahme dieses Landes in die Union der Vereinigten Staaten ist der Strom der Kultur und Ansiedelung in andere Richtungen getreten, und durch das nicht minder wichtige und folgenreiche Auffinden der Goldfelder Australiens ist für den Verkehr der Atlantis mit den Ländern des Großen Oceans das Bedürfniß neuer Straßen entstanden. Diese Alles dominirenden neuen Verhältnisse geben Mittelamerika eine Bedeutung, welche von weiterblickenden Geographen und Politikern schon seit Jahrhunderten voraus erkannt worden ist, aber erst jetzt in die Wirklichkeit tritt, und die das höchste Interesse Aller in Anspruch nimmt, welche nicht mit indolenter Gleichgültigkeit auf das Ringen, Zerstören und Neugestalten einer Zeit schauen, die ohne Vergleich größer, gewaltiger und folgenreicher in ihrem Schaffen ist, als alle Vergangenheit. Schon ehe in den letzten Jahren die Zauberer Gold und Yankeethum das elende mexikanische Dorf San Francisco in eine prächtige Großstadt und einen Handelsplatz vom ersten Range umgewandelt hatten, waren Schifffahrt und Geschäfte der Europäer und Nordamerikaner im Stillen Meere in raschem Wachsen. Noch in den 20er Jahren tauchte der alte verschollene Plan der ersten Eroberer, den schmalen Landstreifen, welcher, einer Brücke gleich, die weiten Kontinente von Nord- und Südamerika verbindet, zu durchgraben und der Schifffahrt eine Straße aus einem Weltmeere in das andere zu eröffnen, aus der Vergessenheit auf. Er wurde eifrig besprochen und geprüft. Ein sehr warmes Interesse dafür zeigten die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Mit gutem Grunde. Die Vortheile der Ausführung des großen Gedankens mußten vorzugsweise der Union zufallen. Sie mußte weit mehr als alle andern seefahrenden Völker zusammengenommen dabei gewinnen; eine Kanalisirung des Isthmus mußte ihr Uebergewicht in der Schifffahrt und im Welthandel entscheiden. So wäre es selbst ohne die Einverleibung Kaliforniens gewesen. Aber mit diesem, in seiner Tragweite gar nicht zu ermessenden Ereignisse hat jede wesentliche Abkürzung des Wegs zwischen der Ost- und Westseite der Union einen unberechenbaren Einfluß auf die Entwickelung der großen, schon zur Weltmacht von erstem Range emporgestiegenen, Republik und ihres diktatorischen Einflusses auf die Gesammtheit der Weltverhältnisse. Die Frage der Verbindung beider Oceane ist aus einer Frage des Welthandels zugleich eine unmittelbare Frage der Weltpolitik geworden, – eine Frage nicht der Rivalität zwischen Europa und Amerika, denn diese ist schon keine Frage mehr – sondern des Uebergewichts des einen oder des andern, und zwischen ihren beiderseitigen politischen Systemen. Es ist die Frage, was gelten soll in Zukunft auf dem civilisirten Erdkreis: – ob die fürstliche Alleinherrschaft, oder die bürgerliche Selbstregierung, ob die Monarchie oder die Republik. Um die Veränderung, welche die Eröffnung eines Schiffkanals durch den Isthmus, über den Nicaragua- und