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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/106

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In wenigen Jahren wird von unserer Abbildung an Ort und Stelle nichts mehr wieder zu erkennen seyn, als die Bai und ihr waldiger Küstensaum.

Nichts desto weniger darf der Freund tropischen Naturcharakters nicht fürchten, sein Interesse hier nicht mehr befriedigen zu können. San Juan liegt auf einem schmalen Landstreifen, hinter welchem sich eine Bai, oder vielmehr eine Lagune in die Schatten des Urwaldes verzweigt. Aus dem Hotel, wo der Reisende gegenwärtig allen Comfort genießen kann, den er in der jungen Stadt jenes heißen Tropenlandes irgend erwarten darf, führt ein Spaziergang von wenigen hundert Schritten an den Rand dieses stillen Gewässers, über dessen Wogen hungrige Fischadler kreisen und aus dessen glatter, dunkel gefärbten Fläche hier und da der Kopf und Rücken eines Alligators hervorragt. Jenseits des Wassers fällt der Blick auf eine Waldvegetation von unbeschreiblicher, massenhafter Ueppigkeit. Die schweren, mit saftreichem Laub belasteten Aeste neigen sich auf die Wasserfläche und bilden dunkle Wölbungen, in deren Nacht sich der Blick verliert. Boote, jedes mit zwei fast nackten Ruderern bemannt, liegen immer bereit, daß Gelüste des Reisenden nach einer Wasserpartie zu befriedigen, und für einen halben Piaster kannst Du im Kanot auf der schmalen Lagune in das Innere des Urwaldes dringen, in welches sich kein Sonnenstrahl verirrt. Hie und da erweitern sich die Gewässer seenartig, und die Scenerie des Waldes entfaltet sich. Ueber dem dichten Dom der Lanbhölzer erheben sich die Kronen majestätischer Palmen, um das Boot spielen glänzende Fische und segeln Schaaren von schillernden Kammermuscheln friedlich über die stille Fläche. An dem grünen Saume der Ufer aber sprossen die saftigen, hochstämmigen, mit Blumen beladenen Kräuter der tropischen Flora und blühende Schlingpflanzen klettern an jedem Zweig heran, ranken um jeden Blattstengel, und sogar der abgestorbene Baumstamm strotzt noch vom parasitischen Leben der Orchideen und Bromeliaceen, die ihn schmücken, wie die Liebe ihre Todten.

San Juan ist leider als ein ungesunder, dem europäischen Ansiedler oft verderblicher Ort sehr verrufen, und gewiß wird sein Klima der Sümpfe wegen immer zu fürchten seyn. Trotz diesem wird es aber rasch genug zur Großstadt aufblühen; denn die menschliche Habsucht scheut den Tod nicht, welcher die Schätze hütet, die Fleiß und Spekulation hier schnell und leicht erwerben. –

Die Bevölkerung von St. Juan de Nicaragua ist, wie man sich denken kann, eine sehr gemischte. Das romanische (spanische) Volkselement, das früher ausschließlich dort zu finden war, tritt allmählig gegen das germanische durch die einwandernden Nordamerikaner, Engländer und Deutsche zurück, und in Folge dessen sind die äußern und gesellschaftlichen Formen des hiesigen Lebens in rascher Umwandlung begriffen.