| Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band | |
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nirgends zu sehen. Die Preise hingegen sind nicht für eine ständige Kundschaft, sondern für die Zugvögel berechnet, welchen in Panama Jedermann Sprenkel und Leimruthen stellt, um so viel ihrer goldenen Federn, als nur immer möglich ist, auszurupfen. Alle Preise sind 3–6mal so hoch, als in New-York oder New-Orleans, oft sogar höher als in San Francisco. Namentlich sind die gewöhnlichen Reisebedürfnisse und frischen Lebensmittel unglaublich theuer und die Forderungen für jede Dienstleistung oder Handarbeit stehen damit im Verhältniß. Der Neger, welcher einen Fremden mit seinem Gepäcke im Nachen von dem Dampfer zum Kay fährt, eine Strecke von 60, höchstens 100 Schritten, verlangt 25 fl. oder 10 Piaster; der Lepero, welcher Dich mit Deinem Mantelsack vom Kay zum Hotel bringt, fordert 2 Piaster, und findest Du die Preise unverschämt, und macht den Versuch, sie zu ermäßigen, so versichert der Gauch, er habe sich geirrt und einen Piaster zu wenig gefordert.
Panama stand ehedem im Geruch großer Frömmigkeit; daher die Menge der Kirchen. Die ansehnlichste ist die Kathedrale, ein großes Gebäude mit 2 Thürmen, im Zopfstyl der Jesuiten. Seit der Revolution ist aber der kirchliche Sinn gesunken, die Jesuiten sind vertrieben, die Klöster geschlossen, und in manchen Kirchen wird nicht einmal mehr Messe gelesen. – Die leere, hohle Phrase des Glaubens ist in Mißachtung gekommen, und die Priesterschaft, die noch vor 50 Jahren in Panama allgewaltig war, hat ihren Einfluß fast ganz verloren. Besseres ist je doch nicht an dessen Stelle getreten. Panama ist wegen seiner Sitten fast in so üblem Ruf, als wegen seines Klima’s. Vom frühern Charakter des hiesigen Lebens ist wenig übrig. Der spanische Typus verwischt sich mehr und mehr, überall sieht man die Fußtapfen des eingedrungenen Yankeethums, überall begegnet man den modern-europäischen Trachten und Sitten, und hört die Sprachen der halben Welt in babylonischer Verwirrung. Wer von dem Leben, wie es zur Zeit der spanischen Herrschaft in Panama war, sich eine Vorstellung machen will, der muß es außerhalb der Stadt, auf einigen der großen Güter suchen, die noch die alten Besitzer haben, – in jenen Herrenhäusern, welche, von Cocospalmen überschattet, in der Mitte ihrer Plantagen liegen. Doch auch die meisten Landgüter sind schon zerschlagen und entweder in den Händen der freien Farbigen, oder an nordamerikanische Kolonisten zerstückelt. Die Verfassung des Landes hat für die allmählige Emancipation der Neger gesorgt. Viele sind schon frei und besitzen Grundeigenthum. Ihre Zustände sind aber dadurch nicht augenfällig besser geworden. Der früher mit der Peitsche seines Züchters zur Arbeit gezwungene Neger ergibt sich, sobald er frei ist, dem Müßiggang; er strebt nicht nach Verbesserung seines Hauswesens; an geistige Kultur denkt er noch weniger. Seine Hütte ist meist in elendererm Zustande, als diejenige war, welche er als Sklave bewohnte. Sie gleichen den schmutzigen Hütten seiner Heimath in Afrika, und bestehen aus 4 rohen unbehauenen Baumstämmen, als Eckpfählen, die man mit Astholz oder Latten verbindet und mit Koth und Lehm für den nothdürftigen Schutz gegen Regen und Sturm ausstopft. Fensteröffnungen fehlen; die Thür ist ein niedriges Loch, mehr zum Ein- und Auskriechen, als zum Gehen.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band. Bibliographisches Institut, [Hildburghausen] [1852], Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_15._Band_1852.djvu/111&oldid=- (Version vom 28.8.2025)