| Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band | |
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mit Speise und Trank für das ganze Jahr zu versorgen, und zur Ernte nichts als die Mühe gehört, die Früchte und den Saft zu sammeln, da wird die Arbeit nie der Genosse des Menschen seyn, und auch der menschliche Geist niemals ewige Blüthen treiben. Dem ist unser Kartoffelland sein Paradies.
Das heutige Panama ist nicht das alte, welches in den ersten Zeiten der Entdeckung gegründet wurde. Die Ruinen des Letztern liegen einige Meilen entfernt. Es wurde der Erdbeben halber verlassen. Auch die jetzige Stadt war zur Zeit der spanischen Herrschaft viel volkreicher und blühender. Als Sitz kirchlicher Prälaten, hoher Gerichtsbehörden und der Verwaltung einer ausgedehnten Provinz trug das hiesige Leben gebildete Formen, und als Stapelplatz für den großen Monopolverkehr des Mutterlandes mit den Niederlassungen an der Westküste Amerika’s hatte Panama einen lebhaften Handel, der großen Wohlstand verbreitete. – Durch die Revolution, welche nach einem langen Kampfe, der die Vermögensverhältnisse zerrüttete, die Losreißung von Spanien zur Folge hatte, kam Panama ganz herunter, und seine Volksmenge sank auf ein Drittel der frühern herab. Erst seit 6 Jahren ist dem weitern Verfall Einhalt geschehen. Durch unerwartete Ereignisse, deren Tragweite kein Sterblicher ermessen kann, – durch zwei Würfe des Zufalls, in dem man recht eigentlich die Hand erkennen mag, „welche die Zeiger rückt an der Uhr des Schicksals und die Kräfte im Weltraume zügelt“, ist für Panama eine neue Zeit des Gedeihens angebrochen, von dem Niemand voraussagen kann: „Hier ist die Grenze“. – Die Eisenbahn über den Isthmus, zwischen Aspinwall-City und Panama, sichert dieser Stadt den Besitz einer der beiden Hauptstraßen, auf der sich künftig der unermeßliche Verkehr zwischen der Ost- und Westwelt bewegen wird, und aller der Vortheile, welche sich daran knüpfen. Noch ehe der Kanal durch Nicaragua zur Fonsecabai das erste Schiff aus der Atlantis zum großen Ocean trägt – wird Panama seine Dampferflotten nach der ganzen Westküste des amerikanischen Kontinents nicht nur, sondern auch nach China, Japan, Australien und Singapore, Batavia und Calcutta senden, werden sich in seinen Docks die Flaggen aller Nationen versammeln und wird der Reichthum seiner Magazine und Niederlagen sprichwörtlich geworden seyn, wie es jetzt die Armuth derselben ist.
Und jener Doppelwurf des Zufalls, in welchem die Zauberkräfte für diese Umwandlung verborgen liegen? – Es ist der Goldfund in Kalifornien und Australien, und die Erhebung von Panama ist das kleinste Zeichen seiner Macht und seines Wirkens; – denn er wird das Angesicht der Erde verändern, die Wohnsitze der Civilisation verrücken und den Bau der Gesellschaft erneuern von Grund aus, damit er zu den veränderten Verhältnissen passe, die er hervorruft.
Niemand verurtheile diese Ansicht als eine übertriebene, überspannte oder irrige, ohne sie reiflich zu prüfen. Wessen Nachdenken hinab steigt auf den Grund der Thatsachen und in den ungemessenen Raum ihrer nothwendigen Folgen dringt, den wird vielleicht meine Meinung nicht mehr befremden.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band. Bibliographisches Institut, [Hildburghausen] [1852], Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_15._Band_1852.djvu/115&oldid=- (Version vom 28.8.2025)