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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/116

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Zuerst suche man, um für sein Urtheil einen richtigen Standpunkt zu gewinnen, verwandte Vorgänge in der Geschichte auf. Man erinnere sich, welche tiefgreifenden Wirkungen die nach Europa herüberströmenden Schätze Peru’s und Mexiko’s im 16. Jahrhunderte äußerten. Kein Verhältniß in der Gesellschaft blieb damals ohne Erschütterung: alle Werthmesser wurden total verändert; tausend und aber tausend Dinge und Güter der Erde wurden werthlos, die früher als unveränderliche Basen des Reichthums gegolten hatten; in der politischen Welt wurde das Gleichgewicht der Macht aufgehoben, Staaten brachen zusammen, die als die gewaltigsten in Ansehen gestanden, und andere erhoben sich aus dem Nichts, oder aus schwachen Anfängen, zu den mächtigsten der Welt. Jenes Ereignis entwand der Kirche das Scepter der Allmacht, gab dem Feudalwesen den Todesstoß, und indem es dem beweglichen Reichthum das Uebergewicht über den Territorialbesitz verlieh, reifte es die Ansprüche des dritten Standes schnell und führte zu jener demokratischen Bewegung in Kirche und Staat, welche seit drei Jahrhunderten beharrlich dem Ziele zustrebt, das sie bereits in England unvollkommen, in Nordamerika hingegen, sowohl dem Wesen als der Form nach, vollständig erreicht hat.

An diesen thatsächlichen 300jährigen Wirkungen der mexikanischen und peruanischen Schätze auf Europa haben wir den Maßstab für die Wirkungen, die wir von den kalifornischen und australischen zu erwarten haben. Und was waren jene ältern Funde gegen diese Goldfelder, welche, obgleich ihre Erforschung kaum begonnen hat, schon notorisch über 20,000 englische Quadratmeilen bedecken, und bei der oberflächlichsten Ausbeutung mit einfachen Werkzeugen durch kaum 100,000 Menschen, – in Australien wöchentlich 160,000, in Kalifornien über 100,000 Unzen des kostbaren Metalls liefern, also schon mehr als dreimal so viel als die ganze übrige Welt, den Ural und Altai eingeschlossen, zusammen? – Die amtlichen geologischen Untersuchungen, geleitet von zuverlässigen wissenschaftlichen Autoritäten, haben die Unerschöpflichkeit der kalifornischen Goldniederlage als eine unbestreitbare Thatsache aufgestellt. Sie machen die Masse der künftigen Goldgewinnung nur von der Zahl der Hände und der Menge der mechanischen Kräfte abhängig, welche sich damit beschäftigen werden. Noch kolossaler erweist sich der Goldreichthum Australiens. – „Sendet Millionen herüber, es aufzuheben, und Millionen werden sich bereichern; nach 1000 Jahren aber wird an Gold noch kein Mangel seyn“, meldet der nach Australien gesandte geologische Kommissär aus Mount Alexander; und Millionen rüsten sich wirklich, dem Rufe zu folgen! – Nicht eine Auswanderung hat aus den britischen Inseln nach Australien begonnen, eine Völkerwanderung ist’s – und ehe noch der Vortrapp derselben, ein paarmal Hunderttausend, den Pflug, die Spinnmaschine, den Webstuhl, den Ambos, den Schacht verlassen hat, um Alt-England mit dem neuen Eldorado im großen Ocean zu vertauschen, treten schon die merkwürdigsten Zeichen der Folgen dieses Völkerzugs in den Vorgrund. Der