| Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band | |
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Handlohn für Fabrikation und Ackerbau ist in England in rapider Steigerung und macht manche Produktionszweige unfruchtbar. Die Furcht vor Mangel an Händen tritt bereits in den Vorgrund der Besprechung und läßt eine Auswanderung kontinentaler Arbeitermassen nach England zum Ersatz der nach Australien abgehenden als eine bald eintretende Begebenheit vermuthen. Britische Waaren, deren Herstellungskosten vorzugsweise aus britischem Arbeitslohn bestehen, namentlich solche Metalle, auf deren Marktwerth die britische Erzeugung entscheidenden Einfluß übt, als Eisen, Zinn, Kupfer und Blei, steigen allmählig im Werthe, und werden in dem Maße weiter steigen, als der Arbeitslohn in England sich erhöht. Die unerhörte Anhäufung von Kapital trägt dazu bei, diese Erscheinung zu kräftigen und andere nicht minder wichtige hervorzurufen. Eine Fülle großer Unternehmungen im Eisenbahn- und Kanalbau und in der Schifffahrt, die kolossalen Anlagen von Häfen und Docks, im Bergbau, im Hüttenwesen und in Manufakturen der verschiedensten Art, – Anlagen, welche Hunderte von Millionen kosten und verschlingen, ehe sie produktiv werden, – reichen so wenig mehr, als die fortgesetzten Anleihen an fremde Staaten aus, die Goldmassen zu absorbiren, die sich bei den wöchentlich gesteigerten Zufuhren ansammeln. Wie aus dem anhaltend bestehenden unerhört niedrigen Stand des Wechseldiskonts auf allen europäischen Börsen, und dem hohen Kurse solider Staatspapiere (die englischen Konsols z. B., nur drei Prozent Zinsen tragend, stehen pari) hervorgeht, sucht jetzt das Kapital überall nach einer rentabeln und sichern Anlage. Noch gibt zwar der kolossale Unternehmungsgeist der Nordamerikaner Massen von europäischem Gelde eine hochverzinsliche Verwendung; aber die kalifornische Goldfluth wird das ausländische Kapital bald auch dort entbehrlich machen und es in seine Heimath zurückdrängen: ein Ereigniß, mit dem die tiefsten Erschütterungen im relativen Werth des Kapitals zur Arbeit und der Arbeitserzeugnisse zu den edeln Metallen unaufhaltsam eintreten werden.
So lange der kalifornische Goldfund für nichts Größeres angesehen wurde, als der am Ural und Altai, so lange man in den Erträgnissen des letzteren einen Maßstab für jenen gefunden zu haben glaubte, und man wähnte, Kaliforniens mögliche jährliche Goldausbeute in gewisse Ziffern einschließen zu können, von denen keine die Summe von 50 Mill. Dollars erreichte, – so lange endlich der Fund selbst auf Kalifornien sich beschränkte: so lange durfte man ihn noch als ein Ereigniß ansehen, dessen Wellenschläge sich an den nordamerikanischen Verhältnissen entkräftigen und nicht auch erschütternd auf die europäischen einwirken würden. Seit aber jene Goldniederlage in ihrer ungeheuern Größe, gegen welche die des Ural und Altai winzig erscheint, erkannt wurde, und nachdem Australien mit einem, wie sich bereits erwiesen hat, noch weit unermeßlichern Reichthum auf den Schauplatz trat, und nun der Golddurst das englische Volk wie ein Fieber gepackt hat, und es nicht Schiffe genug gibt, die Hunderttausende aufzunehmen, die sich zur Wanderung nach dem neuen Eldorado rüsten: seitdem sind alle frühern Berechnungen wie Seifenblasen
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band. Bibliographisches Institut, [Hildburghausen] [1852], Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_15._Band_1852.djvu/117&oldid=- (Version vom 28.8.2025)