| Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band | |
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wenden und das für den Fortschritt der Civilisation und der Freiheit der Völker so unerläßliche Gleichgewicht der Macht und der Entwickelungskräfte beider Reiche wieder herstellen. Seitdem ist der Raum zwischen Amerika’s Westküste auf der einen, der Ostküste Asiens, dem indischen Archipel und dem australischen Kontinente auf der andern Seite der Schauplatz einer unermüdlichen Thätigkeit und der wichtigsten Erscheinungen der Welt und Staatengeschichte geworden. Auf der einen Seite sinken wilde Urvölker vor dem plötzlichen Anwogen der europäischen Einwanderung und Ansiedelung in Nichts und in Vergessenheit; andererseits gerathen Nationen und Reiche einer uralten, aber morschen Civilisation mit den ungestüm herandrängenden Germanenvölkern, den Engländern und Amerikanern, in Konflikt, dessen sie sich ohne gänzliche Umgestaltung ihrer gesellschaftlichen und geistigen Zustände nicht entwinden können.
Für diese Umgestaltung bereiten sich in der nächsten Zeit große Ereignisse und Begebenheiten vor. England hat die Jahrtausende lang fest verschlossenen Pforten des himmlischen Reichs aufgesprengt, und eine gewaltige Flotte, auf der das Sternenbanner des freien Amerika’s weht, durchfurcht in diesem Augenblick das stille Meer, um Japans Thore aufzuriegeln und es dem Verkehr und dem Glauben christlicher Nationen zu öffnen. Der Sturz beider, der ältesten Reiche dieser Erde, der Musterreiche des erstarrenden Despotismus und der Alleinherrschaft, ist für jedes frei-beobachtende Auge in den Sternen zu lesen, die Stunde der Erlösung von 400 Millionen menschlicher Wesen – zwei Fünftel des ganzen Geschlechts – aus dem schmählichsten und furchtbarsten Joche, welches der fürstliche Despotismus mit Hülfe religiösen Aberglaubens, systematischer Verdummung und bureaukratischer Knechtung jemals den Völkern aufgelegt hat, kann nicht mehr fern seyn. Ein neuer Zusammenstoß der Angelsachsen mit den Chinesen, der zwar hinausgeschoben, aber nicht zu vermeiden ist, wird auf den Trümmern der Mandschuherrschaft ein anglo-chinesisches Reich entstehen lassen, wie ein anglo-indisches entstanden ist auf dem Schutte des Mogulthrons, und der amerikanische Adler wird, nachdem er einmal den Weg nach Nipon’s Felsenstrand gefunden hat, so gewiß dort sein Nest bauen, wie im Thale von Honolulu. In Japan und China finden die Interessen der beiden großen Nationen ihre friedliche Ausgleichung; ein Zweck verbindet sie auf das Engste auf diesen beiden Gebieten und läßt sie zusammenstehen gegen Alles, was ihren Bestrebungen feindlich oder hindernd in den Weg treten will. Wenn aber Rußland, Spanien und die Niederlande mit ihren Kolonien und Besitzungen in den indischen Meeren und an der asiatischen Ostküste sich als störende Elemente in diesen Bestrebungen der beiden Weltmächte erweisen, so ist vorauszusehen, daß man sie beseitigen wird. Gelegenheit und Vorwand dazu ist leicht zu finden.
Aus allen diesen Verhältnissen, die hier nur eine flüchtige Andeutung erhalten konnten, erklärt sich das außerordentliche Interesse, welches sich an die Uebergange aus dem atlantischen in’s stille Meer, an den Nicaragua-Kanal, an den Isthmus von Tehuantepek, und vorzüglich an die Landenge von Panama knüpft,
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfzehnter Band. Bibliographisches Institut, [Hildburghausen] [1852], Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_15._Band_1852.djvu/120&oldid=- (Version vom 29.8.2025)