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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/126

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Er machte die lebensvolle Scene zur charakteristischen Staffage seines Bildes, und aus dem Munde eines der am Torso beschäftigten Künstlers erfuhr er über die Herstellung des Wunderwerks Folgendes.

Schwanthaler hatte ein Modell der Statue 1840 in dreifacher Lebensgröße vollendet. Der König kam, sah und war begeistert von seiner Schönheit. „Es soll Sie unsterblich machen“ – sagte er zum Meister, „wie die Pallas Athenä den Phidias“. – Und er verfügte, daß die Ausführung in Erz in derselben Größe geschehe, wie die jenes Kunstwunders der alten Welt.

Dem königlichen Wort folgte die That auf dem Fuße. Bei der Erzgießerei wurde ein 120 Fuß hoher Thurm aus Gebälk mit Breterverschlag errichtet und als Modellhaus ausgestattet mit Gerüsten, Gängen und Zugwerk. Man mauerte zum Postamente der Riesengestalt einen 10 Fuß hohen Sockel auf, 6000 Pfund Eisenstangen mit Schrauben und Muttern wurden zur innern Steifung, gleichsam zum Knochengerüst, zurecht gelegt, Thonmassen angefahren, hunderte von Gypsfässern herbeigeholt und aufgeschichtet. Aus dem Thon entstand unter der beständigen Aufsicht des Meisters zuerst die Gußhülse – die Masse der Gestalt – noch selbst gestaltlos. Darüber breiteten sich fußdicke Lagen, und nach und nach traten die Formen schwach und roh hervor. Bei dieser Arbeit vergingen mehre Monate. Weitere 6 Wochen kostete dem Meister das Studium der Gewandung. Ungeheuere Flächen und Laken aus gefeuchtetem Segeltuch hingen von den obern Gebälken des Modellhauses herab, und tagelang saß dort Schwanthaler, befehlend und korrigirend, auf einem Lehnstuhle, während seine Jünger den massenhaften Faltenwurf zurechtlegten. Nun erst folgte das eigentliche Formen der Reckin und ihres Beiwerks. Es dauerte vier Jahre, 1840–1844; denn in den Wintermonaten, in welchen man mit dem feuchten Material nicht arbeiten konnte, mußte das Formen ausgesetzt werden. Im Herbste 1841 wurde der Eichenkranz, den die Bavaria mit der linken Hand 9 Fuß über ihrem Haupte erhebt, fertig – das Urmodell selbst war vollendet. Das nächste Jahr verging in der Herstellung des Hülsengusses um das Modell für die einzelnen Stücke zum Bronzeguß: – lauter Arbeiten, bei denen viele, oft unüberwindlich scheinende Schwierigkeiten zu besiegen waren. Und immer mit und unter seinen Schülern war Schwanthaler selbst dabei anzutreffen, immer selbstthätig, dort leitend, da nachhelfend, hier ändernd, da bessernd; denn nur seine begeisterte Phantasie vermochte das Urbild vor seinem innern Auge, durch alle Einzelbildungen der Theile so fest zu halten, daß seinem Blicke keine Abweichung entgehen konnte.

Als nun endlich das Thonbild, das zuerst nakt modellirt worden war, von dem eisernen Knochengerüste im Innern fest zusammengehalten, als Gewandstatue fertig da stand, und, gleich einem Marmorbilde, auf das Genaueste überarbeitet worden war, begann man die äußere Gypsschale auf dasselbe aufzutragen. Nach Erstarrung dieser Form, wurde sie in Stücken abgenommen, und der Thon aus dem Innern entfernt. Währenddem wurde ein Gypskern von kleinerer Dimension innerhalb einer Breterverschalung gegossen, und um diesen wurden jene hohlen Formstücke von unten aufgebaut und zusammengefügt. Als dieses geschehen, und die Gypsform von