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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/128

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ihn der König, hing dem vom Frost geschüttelten Meister seinen Pelz um und fuhr mit ihm nach Hause, während die Geschütze vom nahen Exercierplatze der Artillerie herüberdonnerten. „Wenn das Ehrensalven sind und sie Einem von uns Beiden gelten“, sagte der König, „so gelten sie Ihnen; denn jeder Tag Ihres Schaffens ist ein Ehrentag“.

Aber der Meister siechte mehr und mehr hin, und je näher seines Werkes Vollendung, je mehr drängte es ihn, sie zu beschleunigen. Endlich hatte im Herbste 1844 das Werk von seiner Hand die Vollkommenheit erhalten, die er geben konnte – und feierlich überantwortete er es nun seinem Freunde Miller, Stiglmayers Nachfolger, zur Metamorphose in Erz. Die leichte Hülle wurde entfernt – und als ob die Schönheit kubischer Multiplikation fähig wäre unter der Hand eines solchen Meisters – so stellte sich das Modell der Bavaria den bewundernden Augen der Kennerschaar dar.

Und wie der Koloß aufgestiegen war, so wurde er nun wieder abgebrochen unter Millers Leitung und stückweise ins Gießhaus gebracht, so daß die ganze Gestalt in sieben Theile zerfiel.

Die Kunst des Erzgießers beginnt bekanntlich mit dem Formen, und von diesem Arbeitsprozeß ist das Gelingen des Gusses selbst großentheils abhängig. Deshalb verlangt er die äußerste Sorgfalt. Die Stückformen des Modells werden zuerst um einen feuerfesten Kern in der Gießgrube aufgebaut, so daß zwischen beiden ein hohler Raum übrig bleibt, der beim Guß sich mit der Erzschale ausfüllt. Die ganze Gußform wird zuletzt mit Eisenklammern und Reifen in der Gießgrube verbunden und dann durch, um und unter der Form angebrachte, Feuerung trocken gebrannt. Die geringste Feuchtigkeit, die in der Masse zurückbleiben würde, würde den Guß, die Gießer, das Gießhaus selbst verderben. Unter den fürchterlichsten Detonationen würde die Form zerplatzen und das geschmolzene, feuerflüssige Erz zerstörend und zündend nach allen Richtungen hin geschleudert werden.

Schauerlich schön ist der Gießprozeß selbst bei so schweren Stücken, we hunderte von Centnern des flüssigen Erzes aus dem Flammofen wie ein glühender, sprühender Bach der Form zuströmen. – Der Ofen glüht – das Gebläse stößt keuchend die Luftmassen in den Feuerheerd, – die Lohe steigt prasselnd und flackernd mit grünen und blauen Flammen die Esse empor; der Meister geht ab und zu und befiehlt den Schürleuten; alle andern Hände sind leblos – jede an ihren Posten. Die Gießgrube ist überdeckt mit Gebälk und Bohlen. Ueber ihr schwebt des Krahnens langer Riesenarm mit Ketten und Haken. Die Leitungskanäle aus Lehm für das flüssige Erz sind in Bereitschaft. Aus der Höhe des Gießhauses hängen die Ketten, welche die lange eiserne Stange zum Ausstoßen des Zapfens an der Ofenmündung in der Schwebe tragen, und zehn Männer haben sie gefaßt, gewärtig des Meisters Commando. Im Flammofen rollt’s und zischt’s, wie im Bauche eines Vulkans; man hört das Erzmeer wogen. Alles ist Spannung und Erwartung. Tiefer Ernst, der Gefahr sich bewußt, aber entschlossen ihr entgegenzutreten, – ruht