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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/137

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Die Wonne, welche der Meister Miller aus vollem Becher schlürfte, die Genugthuung, welche dem König Ludwig beschieden war, sich im Sonnenlicht der Wirklichkeit seines schönen Gedankens erfreuen zu können, – das war dem eigentlichen Helden an diesem großen Triumphtage der neuern Kunst versagt. Unserm Schwanthaler war es nicht vergönnt, sein unsterbliches und erhabenstes Werk vollendet auf dem Postamente zu sehen und den Jubelpreis einzuernten am Enthüllungsfeste. Der goldene Lorbeerkranz, den ihm sein König bereitet hatte für jenes Fest, – er zierte schon seine Stirn im Campo Santo, we der König und Freund dem sterblichen Reste des Unsterblichen ein Ehrengrab anwies. Auch Stiglmayer war unter den Vorbereitungen für den Guß des Kolosses früher aus dem Leben geschieden. Beider Meister Büsten stellte König Ludwig in der nämlichen Halle des Ruhms auf, zu deren Ausschmückung er sie berufen hatte.




DCLXXXIII. Die Ruinen von Futtepore in Indien.




Ruinen! Alles, was uns umgibt, ruft: „Ruinen!“ – Kein Auge kann sich aufthun, ohne sie zu schauen; kein Fuß sich erheben, ohne auf eine Welt der Zerstörung zu treten, ja, der Gedanke selbst kann ihnen nicht entgehen. Flöge er an’s Ende der Welt, so träfe er sie; tauchte er in den Grund des Meers, er würde sie finden; senkte er sich in den tiefsten Schacht, er würde ihnen begegnen; stürzte er sich in den Raum des Himmels, er sähe zertrümmerte Sterne auf ungeordneten Bahnen kreisen. Ist nicht unser ganzes Erdendaseyn selbst nur eine Ruine? Wo ist der Glückliche, der sagen dürfte, es sey nicht aufgebaut auf den Trümmern seiner Hoffnungen, Erwartungen und Wünsche?

Hierin ist wohl auch der eigentlichste Grund für jene geheimnißvolle Anziehungskraft zu suchen, welche der Anblick von Ruinen auf den menschlichen Geist ausübt, und welche oft um so mächtiger wirkt, je großartiger das Bild der Zerstörung ist, das wir betrachten. Schon der stumpfeste Sinn kann keine graue Burgtrümmer sehen, ohne daß ihm die Bemerkung entschlüpfe: „wie hat sich doch die Welt verändert!“ Wie viel lebhafter werden aber die Empfindungen des gebildeten Menschen seyn, wenn er eintritt in die versunkenen Thorhallen Thebens, oder unter den Portikus der Parthenais, oder in die Rotunda des Colosseums, oder in die Straßen Pompeji’s, wo ihn das griechische Leben, wie es vor zwei Jahrtausenden war, so frisch und geistverwandt anweht.

Anders wird er auf den Gräbern der indisch-moslemitischen Kultur empfinden. Diese ist eine Kultur von gestern her, und wie fern und wie fremd ist uns dennoch ihre Erscheinung! Kein Band verknüpft uns mit