Zum Inhalt springen

Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/14

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

die Landfeste seines Reichs hundert Meilen weiter in’s Meer vorgeschoben hat, verschwinden, wie sie weiter aufwärts, von der Arkansas-Mündung an, verschwunden sind. Dann werden diese pesthauchenden Niederungen, welche alljährlich mehrmals das Hochwasser auf Tage und Wochen in Seen verwandelt, und die jetzt die Geburtsstätte des gelben Fiebers und anderer Krankheiten sind, welche das Leben der Menschen verkürzen, fruchtbare Marschen werden, und erst dann wird New-Orleans, das mitten in jenen Morästen liegt und jedes Jahr seine Bevölkerung durch die Wechselfieber und Seuchen decimirt sieht, die Rolle einer Weltstadt spielen, welche ihre Einwohner nach Millionen zählt.

Doch Vieles kann und wird sich in der Zwischenzeit anders gestalten, als wir denken. Ist doch selbst die Existenz von New-Orleans durch die Möglichkeit in Frage gestellt, daß über kurz oder lang der alternde Strom die Kraft verlieren werde, seine ungebeure Aufgabe, den Mexikan. Golf auszufüllen, ohne Störung und Stockung fortzusetzen. Eine zu große Anhäufung der todten Massen an seinen Mündungen wird, so fürchtet man, seine Gewässer zurückstauen und Louisiana mit allem Lebendigen in den Fluthen begraben, bis der verstärkte Druck der Gewässer denselben neue Kanäle zum Meere öffnet. In der That nimmt die Verschlämmung der Mündungen im Mississippi-Delta täglich zu. Mehre haben sich bereits im Laufe des letzten Jahrhunderts geschlossen und die Kultur hat sich mit Hacke und Spaten vieler Stellen bemächtigt, auf welchen noch bei unserer Väter Gedenken die Piroque des Indianers sich schaukelte. Drohend rückt die Zeit heran, wo dies auch mit andern Ausflüssen der Fall seyn wird. Selbst der Hauptstrom hat, des Widerstandes seines Feindes, der Meerfluth, nicht mehr mächtig, seine Wassermasse schon in mehre Betten zertheilen müssen, um den Golf zu erreichen; er wühlt sich mühsam zwischen seinen eigenen Dämmen hinaus. Sollte sich auch einer dieser Kanäle verstopfen, so würden die Wasser zurücktreten müssen, – und sie zunächst New-Orleans verschlingen und alles Land, welches, dem Anbau gewonnen, jetzt 100fältige Ernten trägt. Dann beginnt der Kampf von Neuem zwischen den beiden Giganten, den azurnen Wogen des Golfs und den gelben Gewässern des Mississippi. Ueber die Entscheidung kann kein Zweifel seyn, und der Sieger in so vielen Jahrtausenden wird dann eine neue Aera beständiger Eroberung beginnen. Allein wer kann der Zerstörung Umfang berechnen, die vorausgeht? Wer kann den Zeitraum berechnen, in welchem diese Fehde ausgekämpft seyn wird zwischen den beiden Mächten? Wie lange werden sie brauchen die luftigen leichten Bundesgenossen des Stroms, um durch den Regen die Gebirgsmassen von der Erde zu waschen, welche zur völligen Ausfüllung des Golfs nöthig sind? Wann werden die Felsengebirge des Westens und der Alleghany des Ostens verschwinden vor den Fluthen des Himmels und auf dem Ohio, dem Missouri, dem Arkansas, dem Redriver und wie sie alle heißen die Zubringer des Mississippi, – ihre Emigration vollenden? Der Menschenverstand beugt sich vor der unfaßlichen Größe; er hört auf zu rechnen. – Unergründliche,