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Seite:Meyers Universum 15. Band 1852.djvu/146

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Monarchen, keine Garnisonen, keine lauernde Polizei, keine amtlichen Wächter bei jeder Volksthätigkeit, keine leitende, bevormundende, regelnde Büreaukratie, kein Pochen der Regierung auf den Beistand stehender Truppenmassen und auf fremde Intervention, keine Gesetzgebung, die den Bürger zum Knecht der Staatsmacht erniedrigt, und ihn der legalen Willkühr der Regierungsgewalt überliefert, nöthig. Das Alles fehlte im Aargau. Hier that’s der von der vollen Volksfreiheit geweckte und getragene Patriotismus der intelligenten Bürger, der gesunde Menschenverstand, die Rechtlichkeit des Volks, die durch die freie Besprechung in der Presse Allen klar gewordene Einsicht Dessen, was dem Lande frommt, und vor allem das stolze Bewußtseyn staatsbürgerlicher Unabhängigkeit in jedem Einzelnen, welchem die Selbstregierung den rechten Ausdruck gab. Begünstigend wirkte allerdings in Aargau, daß so treffliche und weise Männer wie Zschokke und seine Freunde, bei der Organisation des Staats großen Einfluß gewannen, und daß hier alles neu zu schaffen war, alte Vorurtheile also, verrostete Institutionen und durch Alterthum und Herkommen ehrwürdig gewordene Gebrechen keinerlei Berechtigung anzusprechen hatten, die dem Neuen hindernd oder feindlich in den Weg traten. Kaum ein halbes Jahrhundert ist seit der Gründung der Aargauer Republik verflossen, und wenn man den Zustand von Damals und Jetzt vergleicht auf diesem glücklichen Fleckchen Erde, so möchte man an Wunder glauben. Viele leben noch, die an dem Werk geholfen haben, und mancher Graukopf, dessen jugendliche Hand den Grundstein legen half, blickt an den Bau mit stolzer Freude hinan und preißt Gott für das Gelingen. Im ganzen Lande ist Zufriedenheit, wachsender Wohlstand, steigende Bevölkerung, vermehrte Intelligenz, religiöse und politische Toleranz, Verbesserung des Ackerbaus, beständige Zunahme in Handel-, Gewerbe- und Fabrikthätigkeit bemerklich. Die Abgabenlast ist kaum fühlbar; daß Staatsvermögen durch redliche und geschickte Verwaltung in beständiger Werthsteigerung; die Regierung einfach, von dem souveränen Volke kontrollirt in allem Wirken, Keinem lästig, für Keinen demüthigend; das Land ist mit Kunststraßen bedeckt, vortrefflicher Elementarunterricht ist in allen Gemeinden, die höhern Schulanstalten werden mehr und mehr vervollkommnet, die Presse, bei vollkommener Freiheit, hat eine anständige Haltung und führt nützliche Belehrung durch zahlreiche Volksblätter in jede Hütte; der kriegerische Geist des Volks wird durch zweckmäßige Waffenübung und Waffenspiele genährt und an Mannszucht gewöhnt; patriotische Gesellschaften und Vereine sind thätig überall, um Wissenschaft und Künste zu beleben, die Bodenkultur zu verbessern, die Landeskunde zu befördern, auf die Volkserziehung durch Verbreitung guter Schriften zu wirken, Ersparungskassen, Versicherungsanstalten und andere gemeinnützige Stiftungen und Institute der Wohlthätigkeit zu gründen. Die ganze Physiognomie des kleinen Freistaats ist der heitere Ausdruck dieses allseitigen Gedeihens. Städte und Dörfer verschönern sich mit jedem Jahre, die Anlagen der Industrie wachsen an Ausdehnung und Zahl beständig, und die vermehrte Intelligenz der Staatsgenossen läßt immer neue Quellen des Erwerbs entdecken oder die ältern vortheilhafter